Nationalsozialismus: Vergessene Zwangsarbeiter
In der Lichtenberger Aktionswoche wird mit einem Gedenkspaziergang an die Opfer des Lichtenberger Arbeitshauses erinnert.
In der NS-Zeit verschärfte sich die Situation für die Insass*innen in jeder Hinsicht. „Jetzt mussten sie nicht mehr auf den Rieselfeldern, sondern in der Rüstungsindustrie schuften, die sich in Lichtenberg angesiedelt hatte“, erklärte Irmer. 1933 sorgten Razzien und Verhaftungswellen dafür, dass das Arbeitshaus bald überbelegt war. Arrestzellen für Homosexuelle und “psychisch Abwegige„, ein “Bewahrungshaus„ für “Asoziale„ und eine “Sonderabteilung„ für Juden wurden eingerichtet.
Nach einem Erlass des Reichsinnenministeriums von 1937 wurden die Insassen aus Rummelsburg, soweit sie für den “Zwangsarbeitseinsatz„ ungeeignet waren, in Konzentrationslager überführt, berichtet Irmer über die Intensivierung des Terrors im NS. Am 13. Januar 1941 wurden 30 jüdische Insass*innen des Arbeitshauses in die Tötungsanstalt Bernberg gebracht und dort mit Gas ermordet. Unter ihnen war Auguste Löwenthal, die im Alter von 67 Jahren im Juni 1939 verhaftet wurde, weil ihr vorgeworfen wurde, als Prostituierte zu arbeiten. Über ihr Schicksal hat Irmer geforscht und die Frau so dem Vergessen entrissen. „Arme Menschen schreiben keine Geschichte und hinterlassen oft kaum Dokumente“, sagt Irmer.
Für den 2007 gegründeten Arbeitskreis Marginalisierte Gestern und heute ein Grund, sich für das Gedenken der als asozial stigmatisierten Insass*innen des Arbeitshauses einzusetzen. Seit 2015 informieren Tafeln über die Menschen, die zu den verschiedenen Zeiten dort verfolgt wurden. In der DDR dienten die Gebäude als Gefängnis. Dort waren auch Menschen inhaftiert, die bei Demonstrationen und Proteste in der letzten Phase der DDR festgenommen wurden.
Der Gedenkspaziergang am Sonntag war Teil der Lichtenberger Aktionswochen gegen Sozialchauvinismus, die von einem Bündnis von Antifaschist*innen, der Berliner Obdachlosenhilfe und der Erwerbsloseninitiative Basta organisiert werden. Noch bis Mitte Dezember soll es an unterschiedlichen Orten Veranstaltungen geben, die sich mit der Abwertung von armen Menschen befassen. So soll am 8. Dezember ab 18 Uhr im Café Maggie in der Frankfurter Allee 205 über das Gedenken an die heutigen Opfern sozialchauvinistischer Gewalt diskutiert werden. Zwei davon gab es in Lichtenberg: 1993 wurde dort Kurt Schneider von Neonazis ermordet und 2016 Eugeniu Botnar von einem Warenhausdetektiv erschlagen.
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