Nationalparks: Nur ein halber Grund zum Feiern
Vor 25 Jahren wurde das schleswig-holsteinische Wattenmeer geschützt. Ökologisch hat das geholfen, aber die wirtschaftliche Nutzung ist weiter ein Problem.
Es sei "eine der größten Erfolgsgeschichten unseres Landes", schwärmt Umweltministerin Juliane Rumpf (CDU). Sie meint den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, der am 1. Oktober 25 Jahre alt wird. Seit der Gründung 1985 haben sich die Vorbehalte an der Westküste, die seinerzeit zu jahrelangen hitzigen Debatten geführt hatten, in weitgehende Zustimmung verwandelt. Bei einer Umfrage im vorigen Jahr erklärten 89 Prozent der Einwohner Dithmarschens und Nordfrieslands, dass ihnen der Nationalpark vor ihrer Haustür wichtig sei, 33 Prozent bekundeten, sie seien darauf stolz.
Von dem größten Nationalpark zwischen Nordkap und Sizilien, der zudem 2009 als Weltnaturerbe von der Unesco anerkannt wurde, profitierten Natur und Mensch, bilanziert Rumpf. Die Nationalpark-Verwaltungen Schleswig-Holsteins und der angrenzen Küstenländer untersuchen fortlaufend 28 Umweltparameter. Seehunde und Rastvögel werden gezählt, Grünalgen kartiert, Nährstoffgehalte und Wirtschaftsdaten dokumentiert. Zu den Ergebnissen gehört das Aus für die Jagd auf Wasservögel und die ökologisch schädliche Herzmuschelfischerei.
Mit jährlich mehr als zwei Millionen Urlaubern und rund 16 Millionen Tagesgästen ist der Nationalpark zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden. Für 28 Prozent der Übernachtungsgäste spielt er eine wichtige oder sehr wichtige Rolle bei der Entscheidung über ihr Reiseziel. Freizeitforscher berechneten einen touristischen Bruttoumsatz von jährlich 213 Millionen Euro. "Der Nationalpark schafft und sichert 6.770 Arbeitsplätze" sagt Rumpf.
Das Nordsee-Wattenmeer ist durch drei Nationalparks geschützt: Seit 1985 in Schleswig-Holstein, seit 1986 in Niedersachsen und seit 1990 in Hamburg.
Der deutsche Anteil am Wattenmeer beträgt mit 7.500 km(2) die Hälfte der Gesamtfläche: Etwa 4.400 km(2) gehören zu Schleswig-Holstein, rund 3.000 km(2) zu Niedersachsen und nur 137,5 km(2) zu Hamburg. Der Rest gehört zu Dänemark und den Niederlanden.
Als Unesco-Weltnaturerbe anerkannt wurden die Wattenmeer-Anteile der Niederlande, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins am 26. Juni 2009.
Die Naturschutzverbände WWF, Nabu und Schutzstation Wattenmeer sind nicht ganz so euphorisch. Das Jubiläum sei "nur ein halber Grund zum Feiern", erklären sie in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Erfolge seien unter anderem der bessere Schutz der Salzwiesen, das Verbot der Jagd sowie die Erholung des Bestandes an Seehunden und Kegelrobben.
Der Nationalparkverwaltung fehle jedoch oft der Rückhalt der Landesregierung. So seien wiederholt Eingriffe ohne deren Beteiligung genehmigt worden. Jüngstes Beispiel sind die Importe von Miesmuscheln, mit denen weitere gebietsfremde und invasive Arten eingeschleppt werden können.
Zugleich bekräftigten die Verbände ihre Kritik an der Ölförderung auf der Sandbank Mittelplate vor der Elbmündung, die kürzlich um weitere 30 Jahre bis 2041 verlängert wurde. Das alles führe zu einem "wachsenden Glaubwürdigkeitsproblem".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann