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Nationalisten brechen in Bosnien-Herzegowina ein

■ Bei den Kommunalwahlen zeichnen sich Erfolge für die gemäßigten Parteien ab. In Srebrenica könnte es künftig wieder einen muslimischen Bürgermeister geben

Sarajevo (taz) – In vielen Städten und Regionen Bosnien-Herzegowinas werden in den neuen Gemeinderäten nicht nationalistische Parteien und Wahlbündnisse den Ton angeben. Nach ersten inoffiziellen Ergebnissen wird die serbische Extremistenpartei SDS in der größten von Serben kontrollierten Stadt, Banja Luka, keine Rolle mehr spielen. Sie liegt nach bisherigen Informationen nur an fünfter Stelle. Siegerin wird voraussichtlich die Sozialistische Partei der Republika Srpska (SP-RS) sein, die bisher in der Opposition war und dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević nahesteht.

Auch in der 110.000-Einwohner-Stadt Prijedor, in Mrkonjicgrad und anderen Städten Westbosniens sollen die Sozialisten und andere Oppositionsparteien die Nase vorn haben, während die SDS noch in Ostbosnien, Brčko und Doboi vorne liegt. Die Serbische Volkspartei von Präsidentin Biljana Plavšić nahm an den Wahlen nicht teil, da sie nach der Anmeldefrist gegründet wurde.

In den muslimisch kontrollierten Gebieten zeichnet sich ein starker Zuwachs für die Sozialdemokratische Partei (SDP) ab, die in vielen Städten Zentralbosniens zwischen 20 und 30 Prozent gewann. Nach dem Erdrutschsieg der Union der Bosnisch-Herzegowinischen Sozialdemokraten (UBSD) des bisherigen Bürgermeisters von Tuzla, Selim Beslagić, mit voraussichtlich 57 Prozent der Stimmen erreichte die Partei auch in ländlichen Regionen Ostbosniens hohe Prozentzahlen. Die SDP-Sozialisten liegen in Lukavac bei über 37 Prozent der Stimmen.

In fünf von neun Bezirken in Sarajevo liegt die Partei der Demokratischen Aktion (SDA), die muslimische Nationalpartei, vorn, die Opposition jedoch hat nach eigenen Angaben hier gegenüber den letzten Parlamentswahlen stark aufgeholt. Im Zentralbezirk und in Novi Sarajevo gewinnen nach den bisherigen Prognosen die nicht nationalistischen Parteien. In der SDA-Hochburg Zenica wird mit einem knappen Sieg der Izetbegović-Partei gerechnet. In einigen kroatisch kontrollierten Gebieten ist die Position der kroatischen Nationalpartei (HDZ) gefährdet. In den westbosnischen, kroatisch kontrollierten Gebieten um Drvar und Grahovo werden serbische Parteien gewinnen. Die von dort vertriebenen Serben gaben ihre Stimme für ihren Heimatort ab. Auch in Srebrenica zeichnet sich ein Sieg für die ursprünglich muslimischen Einwohner ab. In der zentralbosnischen Stadt Zepce wurde die Wahl durch die HDZ boykottiert. Alle internationalen Organisationen werten die Wahlen als Erfolg für die Demokratie und den Friedensprozeß. Erich Rathfelder

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