Nationalismus bei der Fußball-WM: Doppeladler kommt teuer
Die Fifa ahndet die politisch provokativen Gesten von drei Spielern der Schweizer Nationalelf mit Geldstrafen. Der Kosovo-Konflikt lässt grüßen.
Wie die französische Nachrichtenagentur AFP berichtet, wurde eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um die Schuld zu begleichen. Bislang sind 12000 Euro zusammen gekommen. Auch Kosovos Handelsminister Bajram Hasani will ein Monatsgehalt in Höhe von 1.500 Euro für die Tilgung spenden
Auch der Trainer Serbiens, Mladen Krstajić, muss eine Geldstrafe von 5.000 Franken und eine Verwarnung wegen Schiedsrichterbeleidigung hinnehmen. Der serbische Verband muss zudem 54.000 Franken für „diskriminierende Banner“ und Schlachtrufe von seinen Anhängern zahlen.
Der serbische Fußballbund hatte nach dem Spiel zudem mit scharfen Protesten über einen nicht gegebenen Elfmeter durch den deutschen Schiedsrichter Felix Brych für Wirbel gesorgt. Der aus Sarajevo stammende Trainer des serbischen Teams, der bosnische Serbe Mladen Krstajić, setzte noch einen drauf. „Ich würde ihn nach Den Haag schicken, damit man ihm den Prozess macht, so wie man uns den Prozess gemacht hat“, sagte der Ex-Bundesligaprofi.
Empfohlener externer Inhalt
WM 2018 – Die Spielorte
Damit stellte er den deutschen Schiedsrichter und auch sich selbst auf eine Stufe mit den verurteilen Kriegsverbrechern Ratko Mladic, Radovan Karadžić und den serbischen Generälen im Kosovo. Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hatte in den vergangenen Jahren zahlreiche Serben wegen schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Kriege in Bosnien und Kosovo verurteilt.
Kosovarische Flagge
Ob die doch eher symbolischen Geldstrafen eine richtige Reaktion der Fifa auf das Verhalten der Spieler und die Äußerungen des Trainers an die Adresse des Schiedsrichters bei einer Fußballweltmeisterschaft sind, sei dahingestellt. Deutlich ist jedoch einmal mehr geworden, wie schnell sich der tief sitzende Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo sich entladen kann.
Diesen Umstand illustrieren die Vorkommnisse vor und während des Spiels. Alles fing schon damit an, dass die Schweizer Spieler mit kosovarischem Hintergrund von den serbischen und russischen Fans gnadenlos ausgepfiffen wurden. Mit dazu beigetragen hatte offenbar die Information, dass Xherdan Shaqiri vor dem Spiel seine Fußballschuhe mit der Schweizer und der kosovarischen Flagge verziert hatte und damit demonstrierte, dass er sich nicht nur als Schweizer Bürger fühlte, sondern auch als Kosovo-Albaner.
1991 in der Kosovo-Gemeinde Giljan (Gniljane) geboren, floh er mit seiner Familie angesichts der serbischen Repression und Bildung eines Apartheid-Staates in die Schweiz. Die Kosovo-Albaner wurden damals in der „serbischen Provinz“ aus allen staatlichen Stellen und der Wirtschaft entfernt. Granit Xhakas Vater war direktes Opfer der serbischen Repression und saß drei Jahre in serbischen Gefängnissen.
Die Exil-Kosovaren unterstützten den bewaffneten Kampf der Kosovo-Befreiungsorganisation UÇK ab 1997 und begrüßten die Unabhängigkeit des Landes 2008. Nach serbischem Empfinden sind die Kosovaren jedoch Räuber der serbischen „Wiege der Nation“, wie sie Kosovo bezeichnen. Als das serbische Militär 1999 nach dem Nato-Krieg die Provinz verlassen musste, stellte das für die Serben eine tiefe Demütigung dar. Für die Mehrheit der Serben sind Kosovo-Albaner bis heute Todfeinde.
„Tod den Albanern“, riefen die serbischen Fans während der ersten Halbzeit. Dass es ausgerechnet den beiden aus dem Kosovo stammenden Spielern gelang, die entscheidenden Tore für den Sieg der Schweiz zu erzielen, ja den Sieg sogar zu zelebrieren, indem beide als Zeichen ihre Triumphes mit ihren Händen den albanischen Adler formten, brachte die serbischen Fans zur Weißglut. Dieser Umstand war Xhaka und Shaqiri sicher bewusst – auch wenn beide den Vorgang später gegenüber der Schweizer Öffentlichkeit herunterspielten.
Bitter ernste Lage
Die Lage zwischen beiden Seiten bleibt bitter ernst: Die Schweizer Polizei meldete kurz nach dem Spiel vermutlich von Serben initiierte Überfälle auf albanische Fans in Zürich und anderen Städten. Im Kosovo hingegen feierten die Menschen begeistert die Tore „ihrer Söhne“ aus der Schweiz.
Empfohlener externer Inhalt
Die Fifa hat das Thema Rassismus im Fußball in den letzten Jahren ziemlich hoch gehängt. Angesichts historischer Auseinandersetzungen scheinen die Argumente der Kampagne jedoch zu verhallen. Die bisherigen Mechanismen der Sportgerichtsbarkeit sind ohnehin seit den Dopingskandalen in Frage gestellt. Wie soll man verstehen, dass der serbische Trainer mit seiner Äußerung glimpflicher davonkommt als die beiden Spieler?
Wie kann der Versuch, den deutschen Schiedsrichter auf die Stufe serbischer Kriegsverbrecher zu stellen, überhaupt geahndet werden? Der Vorgang zeigt, dass es keine gültigen Kriterien für solche Fälle gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“