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Nationaler Dialog Konferenz in Damaskus600 Menschen für Syriens Zukunft

Präsident al-Scharaa beschwört in seiner Rede die Einheit des Landes. Oppositionskräfte bemängeln, dass ihre Einladungen zu kurzfristig verschickt wurden.

Damaskus, 25. Februar: Teilnehmerinnen bei der Syrischen Konferenz für Nationalen Dialog Foto: Khalil Ashawi/reuters

Beirut taz | „So wie Syrien sich selbst befreit hat, ist es auch angebracht, dass es sich selbst aufbaut“, sagt der syrische Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa am Dienstag auf der Syrischen Konferenz für Nationalen Dialog in Damaskus. Das Land könne nur auf Basis eines Rechtsstaates wiederaufgebaut werden, betonte er. Die im Fernsehen übertragene Rede war der Auftakt zu einer zweitägigen Konferenz zur politischen Transformation des Landes.

Al-Scharaa versprach, ein Komitee für Übergangsjustiz einzurichten, betonte die Einheit Syriens und das „Monopol“ des Staates auf Waffen. Al-Sharaa, nun Übergangspräsident, war Anführer der Gruppe Haiat Tahrir al-Sham. Diese hatte in einem Milizenbündnis im Dezember den Machthaber Baschar al-Assad gestürzt. Die Übergangsregierung besteht zum Großteil aus früheren HTS-Funktionären. Sie hat einen politisch integrativen Prozess angekündigt, an dessen Ende eine neue Verfassung und Wahlen stehen sollen.

Bei der zweitägigen Konferenz sprachen Sy­re­r*in­nen über die Zukunft des Landes nach fast 14 Jahren Krieg und 54 Jahren Herrschaft des Assad-Regimes. Es sollten unter anderem Empfehlungen für die Wirtschaft und Politik erarbeitet und über eine neue Verfassung gesprochen werden.

Die syrische Zivilgesellschaft fordert einen inklusiven Prozess. Viele beschäftigen sich seit Jahren mit der sogenannten Transitional Justice, also der Aufarbeitung von Verbrechen, Justizbarkeit und Entschädigungen. „Wir werden an der Bildung eines Gremiums für Übergangsjustiz arbeiten, um die Rechte der Menschen wiederherzustellen, für Gerechtigkeit zu sorgen und – so Gott will – die Verbrecher vor Gericht zu bringen“, versprach al-Scharaa.

Die Vertretung der Kurden fehlt in Damaskus

Rund 600 Menschen aus allen Teilen Syriens waren zum Treffen im Präsidentenpalast in Damaskus eingeladen. Ein Komitee aus sieben Personen, darunter zwei Frauen, hatte die Konferenz vorbereitet. Nach eigenen Angaben hatte es Sitzungen in verschiedenen Regionen Syriens mit Tausenden Menschen abgehalten, um Themen zu sammeln und Teilnehmende auszuwählen. In dem Vorbereitungsteam waren Menschen, die zivilen Organisationen nahe stehen, aber auch ehemalige HTS-Mitglieder.

Nach fast 14 Jahren Krieg und 54 Jahren Herrschaft des Assad-Regimes sprechen die Sy­re­r*in­nen über die Zukunft ihres Landes

Gerade mal 48 Stunden Zeit blieb gesellschaftlich relevanten Akteur*innen, nachdem ihnen eine Einladung ins Haus flatterte. Oppositionspolitiker beanstandeten die kurzfristigen Einladungen. Sie hätten keine Zeit für die Anreise gehabt, kritisierte etwa Jamal Suleiman, ein alawitischer Filmdirektor und Mitglied der syrischen Oppositionspartei Morgen Bewegung. Die kurze Vorbereitungszeit sei „absichtlich“, um sie „von den Diskussionen fernzuhalten“, zitiert das syrische unabhängige Medium Aljumhuryia. Hind Qabawat, Mitglied des Vorbereitungsausschusses antwortete: „Wir sind auch sehr verärgert, dass sie nicht gekommen sind, aber so ist es nun mal.“

Die Organisatoren der Konferenz sagten, alle syrischen Gruppen seien eingeladen worden. Doch es ist unklar, wie viele Angehörige von Minderheiten tatsächlich nach Damaskus gereist sind. Die kurdische Selbstverwaltung in Nord-und Ostsyrien und die kurdischen Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) sagen, sie hätten keine Einladungen erhalten. Der Kurdische Nationalrats wiederum erklärte,die Einladung abgelehnt zu haben – die Veranstaltung sei „schlecht strukturiert“ und schließe die kurdische politische Vertretung aus.

Minderheiten, darunter Kurden, Christen, Drusen und Alawiten, sorgen sich darum, ob die neuen muslimisch-sunnitischen Machthaber sie einbeziehen, so wie versprochen.

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