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Nationale Alleingänge während der EurokriseEU-Abgeordnete mucken auf

Die EU-Parlamentarier haben die Nase voll vom Klein-Klein der europäischen Regierungschefs. Sie fordern eine gemeinsame Wirtschaftsregierung.

Wünschen sich eine gemeinsame Wirtschaftsregierung: Abgeordnete im Europaparlament. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | In Zukunft werden es Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Brüssel schwerer haben, ihr Krisenmanagement durchzudrücken. Im Europäischen Parlament formiert sich Widerstand gegen die Alleingänge der nationalen Regierungen, und der Ruf nach einer ständigen europäischen Wirtschafsregierung wird lauter.

"Die Rettung des Euro ist kein Spiel. Wir brauchen mehr Ernsthaftigkeit", sagte der konservative österreichische EU-Abgeordnete Othmar Karas am Montag vor dem Europäischen Parlament in Straßburg.

Der Präsident der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, scheint sich ebenfalls eine institutionelle Wirtschaftsregierung zu wünschen: "Glauben wir nicht einen Augenblick, dass eine Regierung der Eurozone, die zweimal im Jahr einen Gipfel abhält, glaubwürdig ist", kritisierte der Luxemburger Regierungschef. Und auch EU-Währungskommissar Olli Rehn drängte auf eine effektivere Abstimmung in der Währungspolitik.

Details noch unklar

Wie genau eine solche "Euro-Regierung" aussehen könnte, ließen aber sowohl der Kommissar als auch die Abgeordneten offen. Alle drängten auf eine schnelle Umsetzung der Beschlüsse vom Sondergipfel Ende Juli. Dabei geht es vor allem um eine Aufstockung des EU-Rettungsschirms EFSF und um eine Ausweitung seiner Aufgaben.

So soll der Fonds künftig Staatsanleihen von EU-Ländern direkt aufkaufen und finanziell angeschlagenen Staaten entsprechende Kreditlinien zur Verfügung stellen. Allerdings hängt die Umsetzung dieser Beschlüsse noch an der Zustimmung der nationalen Parlamente. Vor allem in Deutschland gilt sie als unsicher. Die Bundesregierung will am Dienstag einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen.

Die EU-Abgeordneten haben für solche Zögerlichkeiten kein Verständnis. Sie warfen den Regierungschefs insgesamt unzureichendes Krisenmanagement vor und stärkten demonstrativ EZB-Chef Claude Trichet den Rücken. Nur der Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB im Wert von über 110 Milliarden Euro habe weitere Katastrophen an den europäischen Märkten verhindert, erklärten die Parlamentarier quer durch die Fraktionen.

Dazu gehörte auch der CDU-Europa-Abgeordnete Werner Langen. Er erklärte, das Eingreifen der EZB sei "richtig" gewesen und hätte die Märkte "entschleunigt". Damit stellte er sich klar gegen die Kritik von Bundespräsident Wulff, der der EZB vorgeworfen hatte, sie hätte mit dem Aufkauf der Anleihen ihre Unabhängigkeit verloren.

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6 Kommentare

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  • H
    Heuchelei

    Der einzige DEMOKRATISCHE Weg die VSE zu gründen:

     

    Verfassung schreiben und vom Souverän bestätigen lassen.

     

    Das ist nicht realistisch.

     

    Der Versuch es ohne Verfassung und Souverän zu machen ist ein Staatsstreich. Das wäre Diktatur.

     

    Journalisten merken sowas überhaupt nicht mehr.

  • B
    Berliner

    Wir brauchen langsam die Vereinigten Staaten von Europa, nach US-Vorbild. Dort haben die verschiedenen Bundesstaaten doch mehr Macht als bei uns die EU Staaten. Wir rauschen hier immer mehr in eine EUdSSR. Das kann niemand wollen!

  • EV
    Elena von Trier

    Wenn die EU-Parlamentarier eine "Euro-Regierung" vorschlagen, und wollen, dass alle gemeinsame Programme langfristig sind, müssen sie nach folgendem Kriterium geprüft werden: Betrachtet das Programm alle europäische Länder als eine Familie? Nur so können wir alle Probleme lösen und nur so können wir die richtige Entscheidungen treffen. Sonst sind die Entscheidungen, die unter Einwirkung der Macht und von Manipulationen getroffen werden zum Scheitern verurteilt.

  • W
    Wolfgang

    "EU-Abgeordnete mucken auf"

     

    Das klingt als würden hier demokratisch legitimierte Volksvertreter gegen mächtige Regierungschefs versuchen Beschlüsse zum Allgemeinwohl durchzudrücken. Da ist ein Realitätscheck erforderlich.

  • W
    WaltaKa

    Kein Mensch in der EU wird gefragt. Was zur endgültigen demokratischen Delegitimierung dieses Eu-Theaters führt. Aber-eh egal, wie man weiß, dürften bei einem negativen Votum die Menschen ganz demokratisch so lange abstimmen, bis das Ergebnis passt. Über das, was "in den Verträgen" steht, werden die EU - Völker in strikter Geheimhaltungsmanier nicht informiert. Sie haben keinerlei Einfluss auf diese EU- Farce.Diese ominöse EU bestimmt aber ihr Schicksal. Eine weitere Machtübertragung zu EU-Institutionen erledigt auch endültig jegliche demokratische Legitimität der Regierungen, der Parlamente und der nationalen Wahlen, die die EU - Fans uns dann gleich ersparen können. EU-Diktatur wäre komplett. In wessen Interesse, zu wessen Nutzen? Da gibt es aktuell das Geschwafel von den "Vereinigten Staaten von Europa". Als Vorbild werden uns -ausgerechnet- die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) hingehalten. Was die Fans dieses europäischen Modells und ihre Aussage als Volksverdummung entlarvt. Die Historie, die Gestaltung der USA sind eine völlig andere und nicht mit Europa (hier: der Kontinent, dessen staaten) vergleichbar.

  • HS
    Horst Schwabe

    Der Euro ist langfristig auf hohem Niveau nicht zu retten. Wenn Frau Merkel das glaubt, liegt das daran, daß sie die wesentlichen Jahrzehnte ihres Lebens in der DDR verbracht hat.