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Natascha, 58, Yogalehrerin

Es gab Phasen, da habe ich überlegt, mich gegen Corona impfen zu lassen. Ich habe damals in einer Grundschule gearbeitet, hatte also als über 50-Jährige jeden Tag Kontakt mit Kindern. Natürlich habe ich mir die Frage gestellt, ob ich das für mich vertreten kann. Ich habe mich jeden Morgen getestet, habe Corona und die damit verbundenen Regeln ernst genommen. Gleichzeitig bin ich, was meinen Körper betrifft und die Einflüsse auf ihn von außen, generell sehr sorgfältig.

Anfangs, als die Pandemie ausgebrochen ist, habe ich mich noch gar nicht so isoliert gefühlt. Los ging es erst, als es den Impfstoff gab und sich in meinem Umfeld viele Menschen impfen ließen. Ich hatte das Gefühl, zu einer Entscheidung gedrängt zu werden, obwohl die Impfstoffe noch neu und wenig erforscht waren. Weil ich mich gegen die Impfung entschied, wurde ich vom Rest der Gesellschaft abgetrennt. Irgendwann konnte ich nicht mehr Yoga unterrichten, trotz Hygieneplan und Abstandsregeln. Ich konnte nicht in Restaurants oder Bars gehen, auch als die schon längst wieder offen waren.

Wenn ich mich daran zurückerinnere, breitet sich eine tiefe Traurigkeit in mir aus. Ich hatte das Gefühl, nirgends zugehörig zu sein. Das Narrativ war ja, entweder man gehörte zur geimpften Mehrheit oder zur Minderheit, den Impfgegnern, den Verschwörungstheoretikern, den Coronaleugnern. Als gäbe es nur Gut und Böse, Schwarz und Weiß.

Während Corona blieb mir eigentlich nichts anderes übrig, als mich auf mich selbst zu fokussieren. Ich bin ohnehin viel in der Natur und selten in großen Menschengruppen unterwegs, von daher kam ich mit meiner Situation schon irgendwie klar. Aber ich weiß noch, dass ich mich in vielen Momenten ohnmächtig gefühlt habe. Und auch Angst bekommen habe, nicht vor dem Virus, sondern vor der fehlenden Menschlichkeit. Zum Beispiel, als ich vor leeren Supermarktregalen stand und an der Kasse ein Schild hing mit der Bitte, nur noch maximal drei Pakete Zucker und Mehl mitzunehmen.

Die Traurigkeit ist immer wieder da, wenn ich an Corona erinnert werde. Ich wünschte, wir würden mehr darüber sprechen, wie es gelingen kann, zukünftige Krisen miteinander zu bewältigen, ohne Menschen auszuschließen.

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