Namensstreit an der Uni Greifswald: Umbennung abgelehnt
Die Studenten der Uni Greifswald haben für die Beibehaltung ihres umstrittenen Namenpatrons "Ernst Moritz Arndt" gestimmt. Doch der Uni-Senat ist nicht an das Ergebnis gebunden.
Eindeutig, aber knapp: In Greifswald lehnten die Studenten eine Namensänderung ihrer "Ernst Moritz Arndt Universität" ab. 49 Prozent der Wahlberichtigten votierten gegen, 43 Prozent für eine Umbenennung. "Gewünscht haben wir uns dieses Ergebnis nicht, es ist trotzdem toll, wahrscheinlich wollten viele keine Uni ganz ohne Namenspatron", sagt Sebastian Jabbusch, Sprecher der Studenten-Initative "Uni ohne Arndt".
In der vergangenen Woche waren rund 12.000 Studierenden in der mecklenburg-vorpommerischen Stadt zu einem Votum aufgerufen gewesen. Am späten Freitagnachmittag stand das Ergebnis fest. Rund 23 Prozent der Studierten beteiligten sich an der Abstimmung. "Wir hätten vielleicht doch nicht bloß fragen sollen, ob die Universität nur 'Universität Greifswald' heißen sollte", erklärt Jabbusch. Einen alternativen Namenspatron hatte sie nicht zur Wahl gestellt. "Die vorgeschlagene Änderung bot anscheinend zu wenig Identifizierungsmöglichkeit", denkt der Politik-Studenten. Arik Platzek, ebenso von der Initiative, ist enttäuschter. Hat die Initiative doch seit 2009 auf den Fremden- und Judenhass in Arndts Werken hingewiesen.
Die Auseinandersetzung hat nicht erst in der Wahlwoche den Campus verlassen. Seit Monaten wird in der Stadt mit ihren rund 27.000 Einwohner heftig über den Namenspatron gestritten. "Ist die Universität doch die Stadt, und die Stadt die Universität", so Jabbusch. 1456 wurde die Universität gegründet. Sie gilt als eine der ältesten Hochschulen im Ostseeraum und ist die älteste schwedische Uni. Ihren umstrittenen Namen erhielt sie 1933 durch den damaligen preußischen Ministerpräsident Hermann Göring (NSDAP).
Auf der benachbarten Insel Rügen war Arndt 1769 geboren. Mit Unterbrechungen lehrte der Dichter und Historiker von 1800 bis 1811 in der Hansestadt. Den Nationalsozialisten gefielen aber besonders Arndts Bekenntnisse zum deutschen Volkstum und offene Angriffe gegen Franzosen und Juden. Nach 1945 wurde der Name abgelegt, in der DDR aber wiederentdeckt. Hier galt der 1860 verstorbene Arndt wegen seinen Schriften gegen Leibeigenschaft und Feudalismus als "nationaler Patriot". Bis heute ist der Dichter der Zeilen "Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte" und "ihr Deutsche alle Mann für Mann, zum heil’gen Krieg zusammen!" in der Forschung umstritten.
In der Stadt haben die Ratsfraktionen bis heute keine Positionierungen gefunden. Die Abstimmung ist für die Universitätsleitung nicht bindend. Voraussichtlich im März entscheidet aber der aus Professoren und Studenten bestehende Uni-Senat, ob der Name ablegt wird. "Welchen Einfluss das Ergebnis auf den Meinungsbildungsprozess im Senat hat, ist nicht zu sagen", betont der Pressesprecher der Universität, Jan Messerschmidt, gegenüber der taz. Am Mittwoch ist erneut eine öffentliche Anhörung an der Universität geplant.
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