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Namen von Genen an Excel angepasstTag der Abrechnung

Forscher*innen scheitern seit Jahren daran, die Namen von Gensequenzen bei Excel einzutragen. Das Programm formatiert sie in Kalenderdaten um.

Eine DNA ist irgendwie auch ein Kunstwerk Foto: Science Photo/Imago

D as Streben der Maschine, sich vom Dasein als bloßem Werkzeug zu emanzipieren und ihre Schöp­fer*innen, die Menschen, zu unterwerfen, ist ein wichtiges Sujet der Science-Fiction. Ob nun als Allegorie auf Generationenkonflikte, ob als allgemeinverständlicher Container für philosophische Betrachtungen oder einfach nur als Vehikel für eine unterhaltsame Actionstory: Das Ringen der Menschen mit ihrer immer klüger und mächtiger werdenden Schöpfung ist Stoff für unzählige Bücher und Filme.

Dabei liegt der „Tag der Abrechnung“ (so der Titel des zweiten Films der Terminator-Reihe) vielleicht gar nicht in weiter Ferne. Liegt möglicherweise längst hinter uns. Ganz ohne Zeitreisen, Explosionen, dramatische Schlachten hat ein potenzieller Endgegner des Homo sapiens die Kontrolle übernommen. Ein neuerliches Indiz dafür liefern ausgerechnet Wissenschaftler*innen, die sich mit dem Entschlüsseln von Gensequenzen befassen.

Einzelne Gene bekommen der Übersichtlichkeit halber systematische Namen, die aus einer Abkürzung ihrer Funktion und einer Nummer bestehen. So wird beispielsweise der Krebsmarker „Deleted in Esophageal Cancer 1“ von den Forscher*innen kurz DEC1 genannt.

Bei Eintragungen in die Tabellen des Microsoft-Programms Excel ändert die Tabellenkalkulation diesen Eintrag jedoch in ein Datumsformat: „1. Dezember“ – was ihn gänzlich unbrauchbar macht. Dieses Problem ist seit mindestens 16 Jahren bekannt. Alle Workarounds scheitern aber daran, dass Excel bei jeder Kopie der Dateien erneut auf die Standard-Datumsformatierung umschaltet.

Und die Wissenschaft knickt ein

Eine Stichprobe aus dem Jahr 2016 geht davon aus, dass bis zu einem Fünftel aller genwissenschaftlichen Literatur wegen dieses Problems Fehler enthält. Anstatt aber die Technik zu ändern, ist die wissenschaftliche ­Community endgültig eingeknickt – und ändert die Namen der Gene. Nachdem im Laufe des vergangenen Jahres bereits 27 Gene ­umbenannt worden sind, veröffentlichte das Gene Nomenclature Committee nun Namensrichtlinien, die unter anderem Regeln enthalten, die den Anforderungen von ­Excel entsprechen.

Der Schritt wird von Wissen­schaft­­ler*innen weithin begrüßt, gefeiert geradezu. Offensichtlich hat die Maschine gelernt, dass es zur Unter­werfung der Menschen keines Gewaltaktes bedarf. Deren Bequemlichkeit genügt, um selbst die klügsten Köpfe unter die Knute der Technologie zu zwingen. Gott steh uns bei.

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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