Nahverkehr: Böses Erwachen für Schwarzfahrer
Die BVG setzt bald doppelt so viele KontrolleurInnen ein wie bisher, schickt sie wieder in Zivil auf Jagd und will von SchwarzfahrerInnen künftig 60 statt 40 Euro.
Die BVG erhöht den Druck auf SchwarzfahrerInnen. Während letztes Jahr noch durchschnittlich 70 KontrolleurInnen für das Unternehmen arbeiteten, sollen es dieses Jahr 140 werden, heißt es in der Antwort der BVG auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck. Auch die S-Bahn wird 80 statt 70 KontrolleurInnen einsetzen.
Gleichzeitig muss die BVG eingestehen, dass der „Mentalitätswandel“ gescheitert ist, den Unternehmenschefin Sigrid Nikutta vor zwei Jahren ausgerufen hatte. Da hatte sie verkündet, dass KontrolleurInnen Uniformen tragen werden: „Wir erbringen eine gute Leistung und dafür wollen wir auch bezahlt werden. Da müssen wir nicht verdeckt ermitteln“, sagte sie damals. „Wir müssen Präsenz zeigen.“
Doch seitdem halbierte sich die Zahl der erwischten SchwarzfahrerInnen – von 325.000 im Jahr 2010 auf nur noch 156.000 im vergangenen Jahr. Die Zahl der Strafanzeigen für mehrfach erwischte SchwarzfahrerInnen sank sogar von 6.700 auf 1.050. Bei der S-Bahn waren die KontrolleurInnen weiterhin in Zivil unterwegs, und dort stieg die Zahl der erwischten SchwarzfahrerInnen an.
Offenbar nutzten also viele SchwarzfahrerInnen den Umstand aus, dass die BVG-KontrolleurInnen zu erkennen waren – und stiegen rechtzeitig aus. Jetzt schwenkt die BVG wieder zurück und „setzt sowohl Fahrschein-Kontrolleure in Dienstkleidung als auch in Zivil ein“, schreibt das Unternehmen.
Die BVG geht davon aus, dass ihr 20 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr durch die SchwarzfahrerInnen entgehen. Zum Vergleich: Rund 13 Millionen Euro pro Jahr kosten in Berlin die Haftplätze für die erwischten Mehrfach-SchwarzfahrerInnen.
Der SPD-Abgeordnete Langenbrinck begrüßt die Ausweitung der Kontrollen: „Schwarzfahren ist kein Kavaliersdelikt.“ Doch er kritisiert, dass die Kontrolleure in Zivil unterwegs sind: „Sie sollten besser in Uniform ihren Dienst verrichten, um für Sicherheit und Ordnung sorgen zu können.“
Die BVG unterstützt zudem eine Initiative des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen: Das „erhöhte Beförderungsentgeld“ soll bei der ersten Schwarzfahrt von 40 Euro auf 60 Euro steigen und für Wiederholungstäter sogar auf 120 Euro. Der Betrag ist bundesweit einheitlich und kann nur von Bund und Ländern gemeinsam geändert werden – das geschah zuletzt 2003. „40 Euro schrecken keinen potenziellen Schwarzfahrer hierzulande mehr ab“, argumentiert Verbandsgeschäftsführer Oliver Wolff. „Wer schwarz fährt, nutzt dieses System und seine vielen ehrlichen Kunden schamlos aus, dagegen wehren wir uns.“
Tatsächlich gehen BVG und S-Bahn jedoch nicht konsequent gegen erwischte SchwarzfahrerInnen vor. Wie die taz im Februar berichtete, beauftragen die Unternehmen ein Inkasso-Unternehmen damit, die 40 Euro einzufordern. Dieses Unternehmen droht dann in seinen Briefen immer wieder damit, die zivilrechtliche Forderung auch vor Gericht einzutreiben – tatsächlich passiert das jedoch so gut wie nie. Echte Konsequenzen drohen nur für SchwarzfahrerInnen, die mehrfach erwischt werden und bei denen BVG oder S-Bahn deshalb Strafanzeige wegen Leistungserschleichung erstatten.
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