piwik no script img

Nahverkehr in NRWSozis gegen Sozialticket

Arme sollen günstiger Bus fahren, meint der schwarz-grüne Verkehrsverbund VRR. Doch die SPD ist gegen ein Sozialticket in NRW, aus Kostengründen.

Der VRR ist Deutschlands größter Zusammenschluss kommunaler Verkehrsunternehmen. Bild: dpa

BOCHUM taz | Für rund eine Million Menschen an Rhein und Ruhr soll der öffentliche Nahverkehr billiger werden: Deutschlands größter Zusammenschluss kommunaler Verkehrsunternehmen, der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), führt ein Sozialticket ein. Darauf hat sich die neue schwarz-grüne Mehrheit vor der VRR-Verbandsversammlung geeinigt, die am Freitag zum ersten Mal statt findet.

Das neue Ticket soll im August auf den Markt kommen und zwischen 15 und 23 Euro kosten - je nachdem, ob die Kunden es bereits vor oder erst nach neun Uhr nutzen. Von den acht Millionen Menschen im VRR-Raum sollen nach dem Willen von CDU und Grünen nicht nur Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung und Asylbewerber anspruchsberechtigt sein. Auch Geringverdiener, deren Einkommen zehn Prozent über dem Hartz-Regelsatz liegt, profitieren von dem Sozialticket: Innerhalb ihres Wohnorts können sie den öffentlichen Nahverkehr künftig beliebig oft nutzen.

In den Städten zwischen Düsseldorf und Dortmund kostet die einzelne Fahrt heute 2 Euro 30, ein stadtweit geltendes Viererticket bereits acht Euro. "Für die Mobilität sozial Schwacher ist das Ticket ein Meilenstein", sagt der Chef der Grünen in der VRR-Verbandsversammlung, der Dortmunder Ratsherr Mario Krüger. "Wir wollen die unterstützen, die existenzielle Probleme haben", erklärt der CDU-Fraktionschef aus Duisburg, Frank Heidenreich.

Für Fahrten über das jeweilige Stadtgebiet hinaus soll das Sozialticket zwar nicht gelten. Doch die im VRR zusammengeschlossenen Verkehrsunternehmen protestieren schon heute gegen die Vergünstigungen: "Das Sozialticket darf die Nahverkehrsbetriebe und die Kommunen nicht belasten", findet etwa der Chef der stadteigenen Essener Verkehrsbetriebe, Horst Zierold - und warnt vor zusätzlichen Einnahmeverlusten von zwei bis drei Millionen Euro im Jahr.

Unterstützt wird der Widerstand ausgerechnet von den Sozialdemokraten im VRR. Deren Chef, der Dortmunder Ernst Prüsse, hält das von seiner Fraktion lange geforderte Ticket plötzlich für nicht mehr finanzierbar. Die steigenden Defizite würden zu weiteren Lohnkürzungen führen, meint der Sozialdemokrat: "Erklären Sie das mal einem Busfahrer." In den letzten Jahren hatten die klammen Stadtwerke ihr Personal in neue Tarifverträge gezwungen - so verdient ein neu angestellter Fahrer trotz Schichtdienst nur noch knapp 1.900 Euro brutto.

"Nur ein Wahlkampfmanöver von CDU und Grünen, sonst nichts" seien die verbilligten Preise für sozial Schwache, ärgert sich Sozialdemokrat Prüsse - ebenso wie der Sprecher der NRW-Linken, Ralf Michalowsky. Auch nach den Landtagswahlen vom 9. Mai werde das Ticket nicht in der Schublade verschwinden, versichert CDU-Mann Heidenreich - und verspricht den Verkehrsbetrieben höhere Einnahmen durch mehr Fahrgäste und weniger Schwarzfahrer. Mit der Unterstützung von CDU-Landesverkehrsminister Lutz Lienenkämper darf der Christdemokrat aber nicht rechnen: "Wir finden Sozialtickets gut", sagt eine Sprecherin des Ministers - "aber wir wollen nichts zuschießen."

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • B
    BesorgterBürger

    Rot-Rote Eifersucht?

    Beide forderten ständig ein Sozialticket, taten aber nix dafür.

    Jetzt will Schwarz-Grün es einführen, da wird denen Populismus vorgeworfen.

     

    ich würd die zusätzlichen kosten (wenn welche entstehen. ist ja schwer zu berechnen. ich vermute aber die meisten Sozialticket-Bezieher hatten vorher kein Abo-Ticket) im Straßenbau einsparen ;-)

  • JK
    Juergen K

    Wenn wir eines von den SOZIALEN Demokraten wissen,

    dann,

     

    dass sie alles verhindern, was auch nur den Anschein hat sozial zu sein.

     

    Zu viele in dieser Partei werden noch von Diäten genährt.

     

    Erst wenn diese ihr Vermögen aufgebraucht haben und ihre Renten und Pensionen von 1-Euro Jobbern und Zeitarbeitshuren nicht mehr erbracht werden,

     

    werden auch sie ein Sozialticket haben wollen

     

     

     

     

    FÜR SICH.

  • K
    Kritiker

    Ein Sozialticket ist auch grundlegend abzulehnen! Der ÖPNV gehört, genauso wie Strom etc., in staatliche Hand die Beförderung sollte für alle und prinzipiell kostenloss sein somit stimme ich der SPD zu:

    Ein Sozialticket ist abzulehnen!