■ Mit dem Hunger auf du und du: Nahrung wächst kaum
Gleich einem Nomaden streift der Hunger über die Erde. Und kaum ein Gebiet ist vor ihm sicher. Erreichte die Zahl der Unterernährten in Ostasien Ende der 60er Jahre ihren Höhepunkt, so war das Ende der 70er in Südasien der Fall und wird nächstes Jahrzehnt für die Subsahara-Staaten gelten. Während Indonesier, Mauretanier und Ägypter mehr auf dem Tisch haben, fehlt es in Zentralafrika, Peru und Bangladesch zunehmend an Essen. Selbst in den Industriestaaten wird Unterernährung zum Massenphänomen: Zum Beispiel leidet bereits jeder neunte US- Bürger an chronischem Hunger.
Von 800 Millionen Unterernährten geht die UN-Ernährungsorganisation FAO weltweit aus, der Großteil davon in den Ländern des Südens. Doch das FAO-Statement zum Hungergipfel in Rom, die Ernährungslage habe sich gegenüber den letzten zwanzig Jahren leicht verbessert, ist mit Vorsicht zu genießen. Denn beispielsweise sagt der normierte Kalorienbedarf pro Kopf nichts über den Nährwert von Lebensmitteln aus, über ihren Gehalt an Proteinen, Vitaminen und Mineralen, geschweige denn über giftige Inhaltsstoffe wie Pestizide oder Schwermetalle. Zudem benötigen viele hundert Millionen kranke Menschen, befallen etwa mit Darmparasiten, mehr Nahrung als der statistische Durchschnittsgesunde.
Im Zuge der Grünen Revolution mit ihren Hochertragssorten von Weizen und Reis steigen die Hektarerträge von Getreide bis 1980 auf durchschnittlich 350 Kilogramm. Jetzt aber liegen sie mit 290 Kilogramm wieder auf dem Level der fünfziger Jahre. Damit ist der Höhepunkt einer Intensivierung der Agrarwirtschaft überschritten. Das spiegelt sich auch im fallenden Produktionszuwachs von Nahrungsmitteln wieder: In den Sechzigern betrug er noch drei Prozent, in den Siebzigern 2,3 und in den Achtzigern nur noch zwei Prozent. Bis zum Jahre 2010 erwartet die FAO eine noch schwächere Zuwachsrate von 1,8 Prozent.
Gleichzeitig haben die Erntevorräte mit einer Reserve von zeitweilig 50 Tagen ihren historischen Tiefststand erreicht. Entsprechend anfällig ist die globale Versorgung mit Lebensmitteln. In den Zukunftsprognosen stillschweigend enthaltene „Risiken“ wie Sturmfluten, Überfischung, Klimawandel und Parasitenbefall warnte die britische Overseas Development Administration in einem Vorbereitungsreport zum Ernährungsgipfel, könnten Hungerepidemien großen Ausmaßes auslösen. Thomas Worm
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