■ Nahost-Konflikt: Baraks Antrittsbesuch bei Clinton: Die neue israelische Strategie
„Ein Tag Honig, ein Tag Zwiebel“, sagt das fatalistische arabische Sprichwort. Aber der Besuch Ehud Baraks in Washington war ganz Honig. Zuviel Honig, sagen seine Widersacher in Israel.
Alle Gespräche wurden unter vier Augen geführt, so daß keiner wirklich weiß, was gesagt wurde. Aber es sieht so aus, als ob zwischen Barak und Clinton eine seltene Übereinstimmung zustande gekommen ist. Denn es gibt ein verbindendes gemeinsames persönliches Interesse. Beide wollen in die Geschichte eingehen. Um sich als Friedenspräsident – und nicht als Monicas Boyfriend – zu verewigen, muß Clinton den entscheidenden Durchbruch erzwingen. Dazu hat er wenig Zeit – höchstens 15 Monate. Barak hat knapp 18 Monate, um der Geschichte seinen Stempel aufzudrücken. Danach verlieren neue israelische Ministerpräsidenten erfahrungsgemäß ihren Schwung.
Beide wollen den Frieden so schnell wie möglich. Beide wollen die Incremental-Methode Henry Kissingers begraben. Kissinger, ein genialer intellektueller Hochstapler, hat seit 1973 diese unglückselige Step-by-step-Theorie dem Nahen Osten aufgezwungen und damit den Frieden für eine Generation verschoben. Jetzt soll es forsch vorwärts gehen – an allen Fronten gleichzeitig, pausenlos, auf höchster Ebene. Die Frage ist: Sind die beiden sich auch über den künftigen Frieden einig?
Baraks Strategie ist klar: Er will vollkommene israelisch-amerikanische Übereinstimmung, bevor die Verhandlungen überhaupt beginnen, um die Araber vor einen Fait accompli zu stellen. Darum hat er (trotz aller Dementis) Clinton einen ausführlichen Friedensplan vorgelegt. Ob Clinton mit diesem Plan einverstanden ist, weiß niemand.
Falls ja, will Barak gleichzeitige Verhandlungen mit Arafat und Assad, zwei Todfeinden, beginnen. Bei den israelischen Koalitionsverhandlungen hat er schon gezeigt, wie er so etwas macht: Er sagt der einen Partei, daß sie sich beeilen muß, seine Vorschläge anzunehmen, sonst wird die andere Partei ihr zuvorkommen. Will sagen: Syrer und Palästinenser werden gegeneinander ausgespielt werden.
Washingtons Interessen sind nicht mit denen Baraks identisch. Amerika will Syrien und Palästina und damit beinahe die ganze arabische Welt in die US-Einflußzone eingliedern. Aber wahrscheinlich können die Absichten Baraks und Clintons miteinander verflochten werden – the beginning of a beautiful friendship. Uri Avnery
Der Autor lebt als Publizist in Tel-Aviv
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