■ Nächste Runde im Kampf um die Buchpreisbindung: Glaubenskrieg im Marktgetümmel
Buchpreisbindung ist kein schönes Wort. Buchpreisbindung klingt irgendwie nach Fesselung, Gängelung, Sozialismus, und wo das hinführt, wissen wir ja. Bei den Brüsseler Adepten der Freiheit des Marktes führt der Begriff regelmäßig zu heftigen allergischen Aufwallungen. Ihr Hohepriester, der oberste EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert, ist zwar bereits im März mit der gesamten Kommission zurückgetreten und seither nur noch kommissarischer Kommissar. An seiner größten Leidenschaft, der Abschaffung der Buchpreisbindung, hält er trotzdem mit der verbissenen Entschlossenheit des Dogmatikers fest: sein Lebenswerk.
Argumenten war der Mann noch nie zugänglich. Daß in Deutschland und Österreich alle Betroffenen – Verlage, Buchhandel, Verbände und Politik – seit Jahren einmütig für die Beibehaltung der Preisbindung kämpfen, interessiert ihn ebensowenig wie der Beschluß des Europaparlaments, das sich am 20. 11. 98 mit großer Mehrheit für die Preisbindung ausgesprochen hat. Was ist schon das bißchen Demokratie gegen van Mierts große historische Mission? Was ist schon das Sterben kleiner Buchhandlungen gegen die Freiheit des Marktes? Was bedeutet der Schutz autonomer Kleinverlage gegen das ökonomische Naturgesetz der Monopolisierung? Was kümmert schon die verdammte Wirklichkeit gegen die goldene Ideologie, die ja bekanntlich schon deshalb richtig ist, weil sie wahr ist?
Heute ruft van Miert in Brüssel den Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen zusammen, um ein Papier zu beraten, das nicht nur auf die Abschaffung der grenzüberschreitenden Preisbindung zwischen Österreich und Deutschland (und nur darüber könnte die EU entscheiden) zielt, sondern die Buchpreisbindung generell in Frage stellt: Sie sei „kein Beitrag zur Verbesserung der Erzeugung und Verteilung von Büchern“ und verhindere, daß „eventuelle Effizienzgewinne in Form niedrigerer Preise an die Verbraucher weitergegeben“ werden. Der Deutsche Börsenverein reagierte empört und warf van Miert vor, mit „nachweislich falschen Zahlen“ und „tendenziösen Vorgaben“ zu operieren. Vergeblich hatte man gehofft, der kommissarische Kommissar werde sich an die Anstandsregel halten, nach dem Rücktritt nur noch geschäftsführende Tätigkeiten zu absolvieren. Doch van Miert ist unbeeindruckbar, wie alle wahrhaft Religiösen. Sein europäischer Freiheitsdrang gibt keine Ruhe, bevor nicht alle Bücher in Waren und alle Leser in Verbraucher verwandelt sind. Jörg Magenau
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