Nacktscanner in Hamburg: Hersteller baut Streubomben
Die Regierung ist massiv in die Kritik geraten. Der Lieferant für die Nacktscanner am Hamburger Flughafen soll Streubomben herstellen - Munition, die weltweit geächtet ist.
BERLIN afp/dpa | Das Bundesinnenministerium prüft nach eigenen Angaben Vorwürfe, nach denen der Lieferant der für einen Testlauf am Hamburger Flughafen bestimmten Körperscanner auch Streubomben herstellt. Ob es sich bei dem US-Unternehmen L3 Communications um einen Hersteller der international geächteten Streubomben handele, sei ein Sachverhalt, der noch weiterer Aufklärung bedürfe, sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch in Berlin. Der Sprecher hob zugleich hervor, die Bundesregierung habe den Vertrag über die Lieferung der zwei Körperscanner nicht mit L3, sondern mit dem Unternehmen EAS Envimet aus dem österreichischen Brunn geschlossen.
Der Sprecher sagte, es werde geprüft, ob der Bezug der Körperscanner in Konflikt stehe mit dem kürzlich auch von der Bundesregierung unterzeichneten Abkommen zur Ächtung von Streubomben, das seit dem 1. August gilt. Es gehe zunächst einmal darum, die juristischen Verbindungen klarzustellen, danach werde "eine politische Bewertung" vorzunehmen sein, sagte der Sprecher. Bei einem Ausstieg aus dem Vertrag mit dem österreichischen Unternehmen würde nach seinen Angaben eine Vertragsstrafe fällig.
Der Sprecher hob zudem hervor, es gebe derzeit keine anderen Hersteller von Körperscannern, die auch nur annähernd auf dem Entwicklungsstand von L3 Communications stünden. Im Fall einer Annullierung des Vertrags könne der angekündigte Probelauf in Hamburg nicht stattfinden. Die Frankfurter Rundschau hatte zuvor unter Berufung auf Angaben der Hilfsorganisation IKV Pax Christi berichtet, L3 Communications gehöre zu den weltweit noch sieben Herstellern der international geächteten Waffen. Der Test mit den Körperscannern am Hamburger Flughafen soll Ende September beginnen.
Der Geschäftsführer von Handicap International in Deutschland, François De Keersmaeker, warf der Regierung Doppelmoral vor. "Man kann nicht eine Waffe ächten und dann parallel dazu die Produkte eines Herstellers kaufen, der auch Streubomben herstellt." Juristisch sei das Geschäft zwar nicht angreifbar, aber es sei moralisch und politisch verwerflich.
Der Direktor des Aktionsbündnisses Landmine.de, Thomas Küchenmeister, forderte die Bundesregierung auf, die Geschäfte "sofort zu beenden".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken