Nachtzug von Bukarest nach Chișinău: Hinter der Gardine lockt die kühle Brise
Im Nachtzug von Bukarest nach Chișinău gibt es günstiges Bier, Blümchenbettwäsche und Teppichböden. Nur auf die Toilette sollte man nicht müssen.
Der Waggon kann bei uns mit seinem nostalgischen Charme punkten. Auf dem Boden im Gang und in den Abteilen liegen Teppiche, die Bettwäsche und die kleine Tischdecke haben ein Blümchenmuster. In den alten, laut Infotafel in der DDR gefertigten Waggons gibt es natürlich keine Klimaanlage, und so schwitzen wir erst einmal an diesem warmen Sommerabend. Das Fenster ist zwar gekippt, Luft kommt aber durch die dicken, gemusterten Vorhänge kaum hindurch. Glücklicherweise lassen sich die Gardinen mit etwas Geschick seitlich fixieren – und schon spüren wir eine frische Brise.
Nach der Ticketkontrolle begeben wir uns auf die Suche nach einem kühlen Bier in Richtung Speisewagen. Das kann man dort nur bar bezahlen und kostet 12 Leu, umgerechnet 2,40 Euro. Neben Snacks und Getränken stehen auch frisch gebrutzelte Hackfleischröllchen mit eingemachtem Gemüse und Kartoffeln auf der Speisekarte.
An Stehtischen lässt sich der Sonnenuntergang genießen – am besten, indem man auch hier die Vorhänge zur Seite schiebt. Im Speisewagen treffen wir nicht nur Einheimische an, sondern auch überraschend viele Tourist:innen.
Nachtzüge sind eine umweltfreundliche Alternative zu vielen Flügen. Die taz stellt deshalb in loser Folge Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Wir schreiben aber auch, was besser werden muss, damit sie für mehr Menschen attraktiver werden. Alle Folgen gibt es auf taz.de/nachtzugkritik.
Zurück in unserem Abteil, das inzwischen etwas heruntergekühlt ist, machen wir die Betten und legen uns hin. Der Zug ruckelt uns sanft in den Schlaf.
Der währt allerdings nicht allzu lange: Die Grenzkontrolle beginnt kurz nach zwei Uhr morgens. Wir werden vom Schaffner geweckt, dann kommen auch schon rumänische Grenzbeamt:innen in den Zug und sammeln die Pässe der Passagier:innen ein. Dabei kann man sogar liegenbleiben, allerdings bei eingeschaltetem Licht. Auf der anderen Seite des Flusses Pruth wiederholt sich der Vorgang am moldauischen Kontrollpunkt.

Eine Besonderheit dieser Strecke ist, dass man eine Umspurung erlebt. Die Spurweite der Waggons wird in der moldauischen Stadt Ungheni auf die russische Breitspur angepasst. Das ist laut und nimmt einige Zeit in Anspruch. Wir sind aber so müde, dass wir schnell wieder einschlafen.
Am nächsten Morgen weckt uns der Zugbegleiter 20 Minuten vor der Ankunft, und bald schon begrüßen uns die Plattenbaufassaden der moldauischen Hauptstadt.
Nur eine Schattenseite hat die ansonsten wärmstens zu empfehlende Zugfahrt: die Toiletten. Beim Halten an den Bahnhöfen ist deren Nutzung untersagt, während der Grenzkontrolle werden die WC-Kabinen gar zugesperrt. Die alten Fallrohrtoiletten – so heißen die Modelle, bei denen sich mit einem Pedal eine Klappe öffnen lässt und der Inhalt der Schüssel direkt auf die Gleise fällt – stinken abgöttisch. Die ruckelige Fahrt hat den Passagier:innen wohl das Zielen erschwert.
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