Nachtfalter leiden unter Monokulturen: Mottenzauber zur Geisterstunde

Fenster zu, die Insekten kommen: Besonders der Nachtfalter hat einen schlechten Ruf als kleidungsfutternder Schädling. Dabei gibt es insgesamt 3.000 verschiedene Arten.

Der Schmetterling des Jahres 2012 ist ein Nachtfalter: das Kleine Nachtpfauenauge. Bild: Rotholl.at/Rotheneder (dpa)

HAMBERGEN dpa | Nachtfalter haben ein schlechtes Image. Viele denken bei ihrem Anblick automatisch an den durchlöcherten Kaschmirpullover oder Maden im Müsli. Dabei machen Schädlinge nur einen Bruchteil der rund 3.000 Nachtfalterarten aus. Die meisten sind nektarschleckende Nützlinge in buntem Flügelkleid.

Jürgen Röper vom Naturschutzbund Deutschland kämpft unermüdlich gegen den schlechten Ruf der Nachtfalter. Regelmäßig legt er sich nachts auf die Lauer, um die Bestände zu erfassen. An diesem Sommerabend ist der ehrenamtliche Naturschützer mit einem halben Dutzend Gleichgesinnter in Hambergen (Kreis Osterholz) in ein entlegenes Fleckchen am Rande des Teufelsmoores gefahren.

Nach Einbruch der Dämmerung schaltet er seine UV-Leuchtröhren ein und breitet rundherum weiße Laken aus, um die Insekten besser sehen zu können. „Bei Vollmond wird nie geleuchtet“, verrät Röper. Auch starker Wind vereitelt die Falterjagd.

Nach einer Weile flattern die ersten Schmetterlinge herbei. Sie werden sanft in geräumige Plastikröhrchen bugsiert, ein Schaumstoffpfropfen sorgt für den luftdurchlässigen Verschluss. Unter den Falterfans sind auch die Gesamtschülerinnen Kimberley Klein und Doreen Reimann. „Die sind stylish“, schwärmt Doreen und deutet auf die marmorierten Flügel eines Spanners.

„Die sind stylish“

Die Röhrchen landen bei Röper, der im Schein eines Lämpchens eifrig in seinem Bestimmungsbuch blättert. „Die Männchen sind an den flacheren Bäuchen und ihren Radarfühlern zu erkennen“, erläutert er. Dank der Fühler orten sie die Lockstoffe der Weibchen über große Entfernungen. Das Leben der Falter währt nur kurz. „Manche Arten leben einen Tag, andere zwei bis sechs Wochen.“

In dieser Nacht gehen den Falterfreunden 48 Arten ins Röhrchen. Die Palette reicht vom zarten, grünen Pustelspanner über die dralle, grau-braune Hausmutter bis hin zur gelben, mit einem Pelzkragen geschmückten Tigermotte. Zu den Hinguckern gehört der Mondvogel.

Der Meister der Tarnung sieht im Ruhezustand einem Birkenästchen zum Verwechseln ähnlich. Arten wie der Bärenspinner setzen hingegen auf Abschreckung – mit knallrot-gelb-schwarzen Hinterflügeln. Schmetterlingsforscher Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung sieht ein Nord-Süd-Gefälle bei der Artenvielfalt.

Das liege an der größeren Vielfalt der Lebensräume im Süden. Im Norden gebe es zudem weniger Falterarten wegen der Landwirtschaft, die einen intensiven Flächenverbrauch habe. „Arten sind gefährdet, weil die Landnutzung nicht mehr stimmt“, sagt Settele. Mit der Abnahme der Pflanzenvielfalt schrumpfe auch die der Falter. Denn viele Schmetterlinge brauchten zur Eiablage bestimmte Pflanzen.

Schädliche Lichtverschmutzung

Auch die Lichtverschmutzung macht den Insekten zu schaffen. Angelockt von künstlichen Lichtquellen umkreisten die Falter diese unablässig und verbrauchten dabei reichlich Energie, sagt Seettle. Viele Falter sterben an Erschöpfung oder verbrennen sich.

Moderne Leuchtmittel entschärfen die Situation etwas. „Gelbe Lichter locken nicht so an wie blaues Licht – wegen der Wellenlänge“, erläutert der Experte. Der Straßenverkehr fordert ebenfalls viele Opfer. „Während einer nächtlichen Autofahrt werden viele hundert Nachtfalter getötet. Sie klatschen auf die Scheibe“, weiß Settele.

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