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Nacht- und Nebel-Aktion gegen die PDS

■ Mit mehr als hundert Beamten durchsuchte die Polizei die PDS-Zentale in Berlin

Eigentlich wollte Klaus Steinitz, Bundestagsabgeordneter und Präsidiumsmitglied der PDS, früher nach Hause gehen. Das Parteibüro der PDS schräg gegenüber der Volksbühne ist das ehemalige KPD-Haus, das die Nazis 1933 gestürmt hatten. Noch hängt an der Tür eine Gedenktafel für Ernst Thälmann, den „Führer der deutschen Arbeiterklasse“. Gegen 23 Uhr kam er schließlich am Donnerstag abend runter zum Eingang. Vor der Tür waren mehrere Mannschaftswagen aufgefahren. Polizisten mit kugelsicheren Westen hatten das Haus weiträumig abgesperrt, zivil gekleidete Beamte notierten Autonummern.

Staatsanwalt Stange, nach eigener Auskunft kurzfristig um Amtshilfe gebeten, hatte beim Pförtner Einlaß begehrt. Einen Durchsuchungsbefehl konnte er nicht vorlegen, „Gefahr im Verzug“ war die Begründung. Auf die Drohung, daß man sonst die Gitter gewaltsam aufbreche, ließ der Pförtner die Polizei in den Eingangsbereich. Steinitz lies sie nach kurzem heftigen Wortwechsel wohl oder übel weiter ins Haus, Beamte besetzten sofort alle Etagen des verwinkelten Gebäudes. Die Polizeibeamten ließen sich etwa zehn der unzähligen Zimmer des Hauses aufschließen, machten Schubladen auf, wußten offenbar nicht, wo sie suchen sollten. Vor dem Büro des PDS-Chefs machte Steinitz die Polizei darauf aufmerksam, daß Bundestagsabgeordnete Immunität genießen. Die Durchsuchung unterblieb. Eine halbe Stunde später, Steinitz war auf einer anderen Etage, drangen Beamte doch ein, wiewohl in dieser Situation der persönliche Mitarbeiter Gysis wiederum auf die Immunität aufmerksam gemacht hatte.

Sowohl Gysi wie der Chefbuchhalter mußten per Auto geholt werden. Als sie gegen ein Uhr eintrafen, sei dort eine „unheimliche Atmosphäre“ gewesen, sagte Gysi. Die Vorwürfe seien „in einer halben Stunde geklärt“ worden. Er habe die gefragten Unterlagen gezeigt, der Staatsanwalt habe den Briefwechsel, in dem die KPdSU auf der Zahlung der knapp 100 Millionen bestanden habe, mitgenommen.

PDS-Mitglieder fühlten sich durch den martialischen Aufmarsch der Polizei an 1933 erinnert. Dagegen wehrte sich Gysi. Er bemühe sich, die PDS „demokratisch einzuordnen“. Solche Polizeiaktionen könnten eine Radikalisierung provozieren. Historische Vergleiche würden „1933“ bagatellisieren.

Das PDS-Präsidium münzte die Kritik an der Polizeiaktion in eine Aufforderung an alle Mitglieder und Sympatisanten um, sich nun erst recht zu engagieren und der PDS zu einer starken Fraktion im Bundestag zu verhelfen. Gysi kündigte an, die Wahlkampf-Kundgebung am 28.Oktober werde nun auch eine machtvolle Protestkundgebung gegen die Polizeiaktion. Auf dem Flur im Parteibüro hatte sich am Vormittag auch Michael Mäde, Mitglied der „Vereinigten Linken“ und Kandidat auf der PDS-Liste, eingefunden, der dem Pressesprecher der PDS einen „herzlichen Glückwunsch“ zuraunte.

Gysi kündigte mit den Worten: „Die Schmerzgrenze ist erreicht“ juristische Konsequenzen an. Einer der Polizeibeamten habe die Katze aus dem Sack gelassen und erklärt: „50 Jahre Zurückhaltung sind genug.“ Im Beisein des Staatsanwalts habe der Beamte sich geweigert, seinen Namen zu nennen. Möglicherweise sei das Vorgehen der Polizei „Hausfriedensbruch“, meinte er, für „Gefahr im Vollzuge“ gebe es keinen Grund. Klaus Wolschner

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