Nachspiel für Stadtpark-Konzert: Freikarten bringen Stein ins Rollen
100 Freikarten für die Rolling Stones gingen an die Genehmigungsbehörde. Nun durchsuchte die Polizei das Bezirksamt. Der Vorwurf: Bestechung
Mittwoch durchsuchten Staatsanwaltschaft und Polizei aufgrund einer anonymen Anzeige die Räume des Bezirksamtes und des Konzertveranstalters. Sie stellten Unterlagen und Dateien sicher, mit dem Ziel, eine Liste aller Behördenangestellten und Bezirkspolitiker zu erstellen, die Tickets für die Stones erhalten haben. Ihnen droht nun ein Straf- und ein Disziplinarverfahren.
Behördeninterne Regelungen und Bundesgesetze verbieten die Annahme von Geschenken, die über den Wert eines Plastikkugelschreibers hinausgehen. So heißt es in Paragraf 42 des Beamtenstatusgesetzes: „Beamtinnen und Beamte dürfen, (…) keine Belohnungen, Geschenke oder sonstigen Vorteile für sich oder eine dritte Person in Bezug auf ihr Amt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen.“ Weiter steht in der Regelung: Ausnahmen bedürften der Zustimmung des Dienstherrn.
Genau so eine Ausnahmeregelung soll Bezirksamtschef Harald Rösler (SPD) erteilt haben, bevor er Karten handverlesen weiter verteilen ließ. Doch die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme sind eng begrenzt. Die Finanzbehörde, die die Aufsicht über die Bezirksämter hat, droht deshalb bereits damit, „nach Abschluss der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft“ dienstrechtliche Konsequenzen zu ziehen.
„Es wird eng für Rösler“, sagt ein Mitarbeiter der Finanzbehörde. Möglicherweise auch deshalb, weil sich der SPD-Mann als Bauernopfer eignet: Seine sechsjährige Amtszeit endet ohnehin im kommenden Sommer. Harald Rösler ist dann 68 Jahre alt.
Für den Konzertveranstalter FKP-Skorpio ist de Ausgabe der Freitickets hingegen ein „absolut normales Prozedere“. Er sieht darin die Möglichkeit, der Genehmigungsbehörde Arbeitskarten zur Verfügung zu stellen, damit sie die Einhaltung aller behördlichen Auflagen vor Ort überwachen könne. „Wir hatten keine Absicht, irgendjemand zu umgarnen“, sagt FKP-Skorpio-Sprecherin Mara Horstmann.
Fakt aber ist: 28 Jahre war es keinem Konzertveranstalter gelungen, die Genehmigung für ein Konzert auf der Stadtparkwiese zu erhalten. Zuletzt spielte dort 1989 Pink Floyd, davor 1987 David Bowie. „Dieses Konzert ist eine ausgesprochen große Ausnahme“, hatte auch Bezirkschef Rösler betont. Dass er dafür eine Ausnahmeregelung für die Annahme von Freikarten kreierte, ist da beinahe logisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht