Freikarten für Mitarbeiter*innen?: Steine rollen immer weiter
In der Affäre um Rolling-Stones-Freikarten für Hamburger Behördenmitarbeiter*innen erhebt die Hamburger Staatsanwaltschaft eine zweite Anklage.
Hamburg taz | Im Zusammenhang mit der Affäre um Rolling-Stones-Freikarten hat die Hamburger Staatsanwaltschaft nun eine zweite Anklage erhoben. Sie richtet sich gegen die ehemals designierte Chefin des Bezirksamts Hamburg-Nord, Yvonne Nische. Die Anklagepunkte lauten Vorteilsnahme und Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat, teilte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit.
Die SPD-Politikerin hatte erst am 17. Januar – wohl unter dem Eindruck der bevorstehenden Anklageerhebung – erklärt, sie stehe für die Leitung des Bezirksamts Nord nicht mehr zur Verfügung. Nische war im April 2018 gewählt worden, trat ihr Amt wegen der laufenden Ermittlungen aber nie an.
Die 53-Jährige soll als damalige Leiterin des Sozialdezernats „von ihrem vorgesetzten Bezirksamtsleiter R. zwei Tribünenfreikarten für das Konzert der Gruppe ,Rolling Stones' am 09. September 2017 im Hamburger Stadtpark angenommen haben“, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Die Karten hätten einen Wert von 336,80 Euro gehabt. Zudem soll Nische zugelassen haben, dass acht Freikarten an ihr unterstellte Bedienstete auf gleiche Art und Weise vergeben wurden.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt in der Affäre unter anderem gegen die Hamburger Staatsräte Andreas Rieckhof (SPD, Verkehrsbehörde) und Matthias Kock (parteilos, Stadtentwicklungsbehörde). Beide sollen Tickets ebenfalls über den inzwischen pensionierten Leiter des Bezirksamts Nord, Harald Rösler (SPD) erworben haben, der im Mittelpunkt der Affäre steht.
Gegen eine ehemalige Kollegin von Kock und Rieckhoff wurde bereits Anklage erhoben: Die Ex-Staatsrätin der Finanz- und der Gesundheitsbehörde Elke Badde soll von Rösler zwei Tribünenkarten gekauft haben, die auf dem freien Markt nicht mehr zu erhalten waren. Badde soll zudem ein Schreiben mit ihrer Erlaubnis zu Röslers eigenem Konzertbesuch rückdatiert haben. Rösler selbst soll rund 400 Karten nach eigenem Gutdünken ausgewählten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bezirksamtes angeboten haben.
Leser*innenkommentare
Philippe Ressing
Entscheidend ist nicht die juristische Frage. Typisch für die Arroganz der Macht ist, dass die Karten nicht etwa an Hartz IV-Empfänger oder in der Behörde verlost wurden, sondern dass sie von den SPD-Bezirkspotentaten huldvoll an ihre Günstlinge weitergereicht wurden. Und darüber regt sich anscheinend keine Sau - sorry armes Tier - in Hamburg auf.