piwik no script img

NachschulungMehr Integration durch Vereinsmeierei

Mit dem Programm "Integration durch Qualifizieren" sollen Funktionäre und Trainer migrantischer Fußballclubs besser mit dem Vereinsrecht bekannt gemacht werden - und erfolgreiches Management lernen.

Mehmet Matur kennt seine Pappenheimer. Der Integrationsbeauftragte des Berliner Fußballverbandes (BFV) hat in den vergangenen Monaten viele Gespräche geführt mit Vertretern hiesiger migrantischer Clubs. Deren Trainer und Funktionäre sollen geschult werden, damit sich die Vereine besser ins deutsche Sportwesen integrieren können. "Wir wollen die Vereine stark machen, damit sie sich einbringen können", sagt der 47-Jährige.

Daran scheint es zu hapern. Es gibt Probleme, was die Zusammenarbeit "ausländischer" Vereine mit dem Sportgericht sowie dem Meldeausschuss des Verbandes betrifft. Einige Migrantenclubs, so Matur, hätten sogar ihre Sportförderungsbewilligung aufs Spiel gesetzt - ohne die sie Miete für ihr Sportgelände zahlen müssten. Und das nur, weil sie wichtige Fristen verstreichen ließen. Vielleicht, so die Vermutung, verstanden die Vereinsmeier einfach sprachlich gar nicht, was von ihnen verlangt wurde. "Solche Dinge passieren nicht, wenn man sich in der Vereinsarbeit auskennt", sagt Markus Ombeck, der das neue BFV-Projekt "Integration durch Qualifizieren" leitet. Im Januar 2008 soll es starten, gefördert wird es vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Seitdem das Vorhaben beschlossene Sache ist, pendelt Matur zwischen Berlin und der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main. Die Hauptstadt mit ihren 45 migrantischen Fußballvereinen beziehungsweise ihren 150 Clubs mit mindestens 50 Prozent Mitgliedern mit ausländischen Wurzeln gilt als prädestiniert für eine bundesweite Vorreiterrolle in Sachen Integration.

"Wir sehen die Chance, vor allem über die Vermittlung interkultureller Kompetenz im Bereich Qualifizierung die Mitbürger mit deutschen Biografien und jene mit Migrationshintergrund noch aktiver zu sensibilisieren", verkündet DFB-Präsident Theo Zwanziger in gestelztem Amtsdeutsch. Die Berliner sollen auf Landesebene vorexerzieren, wie das geht.

"Wir wollen die Vereine befähigen, sich besser einzubringen", erläutert Projektleiter Ombeck. So sollen Übungsleiter und Funktionäre nicht nur in das Geflecht von Sportrecht und -management eindringen, um einen Club erfolgreich zu führen. Sie sollen ebenso im Umgang mit multikulturellen Gruppen unterrichtet werden. "Wenn die Anweisungen eines Trainers nur auf Türkisch erfolgen, ist das nicht im Sinne der Integration", betont Ombeck.

Auch im Schiedsrichterwesen will der BFV den Hebel ansetzen. Migranten-Referees sollen besser betreut werden. Zu hoch sei die Abbrecherquote, zu groß die Frustration über ausländerfeindliche Sprüche. Als weiteren Hebel, um die Integration zu fördern, hat der Verband die Mädchen ausgemacht, die keinem Verein beitreten dürfen oder können, weil bisher kaum Migrantenclubs eine Frauenabteilung besitzt.

Matur, in Deutschland aufgewachsener Spross türkischer Eltern, hat den Werdegang einstiger Gastarbeiterclubs verfolgt. Den Pionieren der ersten Generation gebühre der Dank, Vereine in der Fremde gegründet zu haben. In der Türkei etwa sei das Ehrenamt im Sport unbekannt. In vielen Regionen gebe es meist nur einen Verein pro Stadt, was die Aneignung sportspezifischer Managementfähigkeiten gegen null tendieren lässt. Ganz anders in Berlin, wo über 300 Vereine am Spielbetrieb teilnehmen.

"Man sieht in Berlin, dass die zweite und dritte Generation der Migranten etwas tun wollen, weil sie sich hier gebunden fühlen", fügt der BFV-Mann hinzu. An diesen ambitionierten Nachwuchs richtet sich das Berliner Projekt, das über drei Jahre lang angelegt ist.

Projektleiter Ombeck ahnt, dass es schwer wird, die wirklichen Sorgenkinder zur Mitarbeit zu bewegen. "Bei den Vereinen, in denen es eh läuft, wird die Resonanz da sein. Wer sich nicht helfen lassen will, dem ist bald nicht mehr zu helfen. Der wird dann auch von der Bildfläche verschwinden."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!