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■ NachschlagVirtuelle Türklinken: Konferenz „Das Virtuelle Haus“ im DAZ

FSB ist eine Firma, die Türklinken herstellt, ein mittelständisches Unternehmen aus Brakel im Weserbergland. Die Rendite des Familienunternehmens „erlaubt ab und zu einen Blick über den Tellerrand“, wie es in der Pressemitteilung heißt. Letzte Woche wurde das Publikum im Deutschen Architekturzentrum (DAZ) Zeuge, wie die Türklinkenhersteller zusammen mit diversen Promi-Architekten über den Tellerrand sahen und das „Virtuelle Haus“ erblickten.

Das war nämlich der Titel eines Wettbewerbs, den die Klinkenfirma zusammen mit der amerikanischen Architekturzeitschrift Any, „unter befreundeten Architekten“ ausgeschrieben hatte. Das dürfte eine Menge Geld gekostet haben, denn schließlich hatte man nicht nur das DAZ gemietet, den Philosophen John Rajchmann vom MIT und die Any-Chefin Cynthia Davidson aus den USA eingeflogen, sondern auch noch sieben der bekanntesten Architekten der Welt beauftragt, sich etwas „Virtuelles“ einfallen zu lassen: unter anderem Jean Nouvel (Galerie Lafayette), Daniel Libeskind (Jüdisches Museum Berlin) und Peter Eisenman (Biozentrum der Universität Frankfurt/Main).

Mit „virtuell“ war hier nicht irgendwas mit Computern oder Internet gemeint, sondern eine „Möglichkeit“ im Sinne Henri Bergsons. In dem Augenblick, in dem man beginnt, das virtuelle Haus zu entwerfen, beginnt man daher bereits mit dessen Zerstörung, wie Daniel Libeskind scharfsinnig bemerkte. Ein fertiggestelltes, virtuelles Haus ist ein Widerspruch in sich, denn wenn es realisiert ist, ist es natürlich nicht mehr virtuell. So betrachtet war der Beitrag von Rem Koolhaas der einzige, der der Aufgabenstellung entsprach: Der Architekt war der Veranstaltung ferngeblieben und hatte auch keinen Entwurf abgeliefert. Die übrigen Beiträge wären bei einer Präsentation der HdK-Architekturstudenten wohl nicht weiter aufgefallen: Jean Nouvel wollte auf die Wände eines viereckigen Hauses Videofilme projezieren. Alejandro Zacra-Polo hatte aus Möbiusschleifen seltsame Bauten entwickelt, die wie Marsstädte in alten SF-Filmen aussahen, und bei den Beiträgen von Peter Eisenman und Daniel Libeskind war nicht herauszufinden, ob es sich um Gebäudeentwürfe, Skulpturen oder erste Gehversuche mit einem CAD-Programm handelte. Klinken fehlten übrigens auch. Gewonnen hat den Wettbewerb dann übrigens keiner, weil die Jury keine Noten vergeben wollte. Tilman Baumgärtel

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