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■ NachschlagFrank Canadas „The Night The KGB Slept“ in der Schwartzschen Villa

Seit zwölf Jahren lebt er in Berlin. Als Schriftsteller und Dramatiker konnte er allerdings nicht Fuß fassen. Ein Dutzend Theaterstücke des 1952 geborenen Amerikaners warten darauf, entdeckt und produziert zu werden; die Lese-Performance seiner unveröffentlichten Novelle „The Night The KGB Slept“ in der Steglitzer Schwartzschen Villa ist seit langem sein erster Auftritt.

Westberlin, kurz vor dem Mauerfall. Bei einem Tanzgastspiel in der Akademie der Künste treffen Künstler aus der UdSSR mit einer australischen Ballerina und dem amerikanischen Schriftsteller Troy Forrest zusammen. Christof Vonderau (Gitarre) und Katja Nawka (Violine) liefern elegische Intermezzi, Canada sitzt auf einem Barhocker, liest seinen Text oder spielt ihn als dramatischen inneren Monolog und versucht dabei, die Melancholie und Depression seiner autobiographischen Erzählerfigur Forrest auszuloten. Dann wieder schlüpft er in die Rollen der Russen und macht aus ihnen Comedy-Figuren, die nur noch als Karikaturen durchgehen.

Tatsächlich ist Canadas Prosa passagenweise überaus melodisch und von sprachlichem Reiz. Ohne seine schauspielerische Interpretation und den ironischen Vortrag jedoch wirkt sie bedeutungsüberladen und bisweilen gar weinerlich. Forrest leidet als Fremder in einem Land, in dem er nicht heimisch wird. Was ihn in Berlin hält, ist sein Sohn. Die Beziehung zur Mutter ist längst zerbrochen, und es ist ihm verwehrt, das Kind zu sehen. Aber es sei richtig, in seiner Nähe zu bleiben, rät ihm Olga, die Russin. „Die Nacht, als der KGB schlief“, in der sie gemeinsam in den „Dschungel“ in der Nürnberger Straße zogen, habe ihr gezeigt, was „Freiheit“ heißt. Dieser Schmerz, nicht bleiben zu können, entspreche seinem Schmerz, bleiben zu müssen. Für diese pathetische Rede kommt Jaroslawa Pevgonen auf die Bühne und spricht ihren Part in russisch mit zarter, trauriger Stimme. Und Canada kommen vor Rührung die Tränen. Axel Schock

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