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■ NachschlagVer- und Entlocken: Dialektisches von She She Pop im Podewil

So viele Menschen füllen den Klub im Podewil, daß man sich ernstlich Sorgen macht: Eine Performance nach dem Prinzip der table dances ist angekündigt. Aber kann auf den fast zugewachsenen Tischchen noch etwas anderes stattfinden als ein kleines Wackeln hier und da? Der Beginn der Show ähnelt mehr einer Pressekonferenz als der spielerischen Begegnung von Exhibitionismus und Voyeurismus, die die Berlin-Hamburger Girlgroup She She Pop versprochen hat: Vier Damen in Unterwäsche nehmen auf dem Podium Platz und verkünden mit todernsten Gesichtern: „Dies ist ein Notruf!“ Weil sie angeblich so pleite sind, veranstalten sie eine „Spar- und Sammelshow“, die auf zwei Voraussetzungen beruht. „Erstens: Wir wollen Ihr Geld! Zweitens. Sie wollen uns!“

Die acht „Shes“ haben im Gießener Institut für Theaterwissenschaft zusammengefunden und seither neben getrennten (Johanna Freiburg, Mieke Matzke und Berit Stumpf unter anderem mit Stefan Pucher) auch mehrere gemeinsame Projekte realisiert: „Trust! Schließlich ist es Ihr Geld“ ist das sechste. Die freche szenisch-musikalische Collage nimmt das Motto des Festivals, in dessen Rahmen sie in Berlin zu sehen war, wörtlich. Um „reich und berühmt“ zu werden, ist den Shes scheinbar jedes Mittel recht: vom Sex-gegen-Spielstätten-Deal mit dem „Kurdirektor von St. Peter Ording“ bis zur offenen Prostitution auf der Bühne.

Trauen aber kann man den „acht Sexgöttinnen“ nicht. In der marktwirtschaftlichen Dialektik von Ver- und Entlocken ist der sanfte Betrug einkalkuliert. Angebote wie „die häßlichste Performerin der Welt“ erweisen sich als leere, aber einträgliche Versprechungen.

So ist die Wahlfreiheit des Publikums nur theoretisch unbegrenzt. Zwar kann man für fünf Mark mit seiner Lieblings-She für eine Minute im Schrank verschwinden, und ein intimes Video („Im Bett mit She She Pop“) geht für 19 Mark an den Mann an der Bar. Doch die erfrischend normalen Schönheiten kommen nackter, als sie gehen, und behalten die Zügel fest in der Hand. Wie singen sie am Schluß? „We know how to fight.“ Sabine Leucht

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