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■ NachschlagTuppern mit Tunten: Die erste homosexuelle Kaffeefahrt

Gerda Kowalke, seit 25 Jahren versierte Reisebusbegleiterin, war am Sonntag dann doch etwas aufgeregt. Wo sich sonst Senioren tummeln und einem Spargelessen in Beelitz entgegenfiebern, saßen ganz viele schwule Männer. Auch einige lesbische Damen stiegen in den Bus. Und drei richtige Tunten. Sie alle wollten sich die Jungfernfahrt nicht entgehen lassen: Reisedienst Witter veranstaltete die erste homosexuelle Kaffeefahrt Berlins, ganz Deutschlands gar. Gerda Kowalke (alias Ades Zabel) und „Praktikant“ Matthias Witter brachten die hundert Kaffeefahrtgäste sicher nach Langerwisch,

einem Kaff im Brandenburgischen. Dabei genoß man die Sehenswürdigkeiten (Gerda: „Und links sehen wir echte Eingeborene“), die Landschaft, den Sekt oder den netten Banknachbarn. Wie es eine richtige Kaffeefahrt so an sich hat, wurde nach einem Stündchen Fahrt Kaffee und Kuchen kredenzt. Derweil baute Tupperware-Berater Frank Neumann seinen Stand auf. „Sieht ja echt aus“, staunten einige Mitreisende, die glaubten, daß die Tupper-Party nur als Joke gedacht wäre. Professionell schwärmte Neumann von den Vorzügen der Schüsseln und Töpfe, erklärte den Verwendungszweck solch anmutiger Schöpfungen wie des Salatsiebs „Saladin“ oder des Frischebehälters „Rumpelstilzchen“. Das war lustig, manchmal gab es sogar Szenenapplaus. Und Diskussionen: „Guck mal, hier die Küchen-Perle“, erklärt ein Mann seinem Liebsten, „die bestellen wir!“ Denn „Küchen-Perle“ ist nützlich, trennt das Eiweiß vom Eigelb wie von selbst. Aber der Liebste mochte nicht: „Ich nehme dazu immer die beiden Eierschalenhälften.“

Dafür bestellten andere. Der Tupperware-Berater war zufrieden, ebenso Gastgeberin Edith, Hausfrau aus Neukölln, wird sie doch am Umsatz beteiligt. Eine große Dose, den „Frische-Star“, durfte sie dafür mit nach Hause nehmen. Da war die Freude so groß, daß sie auf den Tisch stieg und tanzte. Wozu hat sie sich sonst jahrelang an der Volkshochschule im Bauchtanzen geübt? Edith (Ades Zabel in neuer Garderobe) brillierte, das Publikum jubilierte – der eigentliche Höhepunkt des Nachmittags. Der ruhig ausklang, als sich die Gemeinde zum Spaziergang durchs Dorf zur Windmühle aufmachte. Gerda Kowalke führte den „CSD von Langerwisch“ an und mahnte, die „Einheimischen nicht zu füttern“. Die ließen sich gar nicht sehen, höchstens hinter der Gardine. Andreas Hergeth

Wieder am 26. Juli und 2. August, 15 Uhr, Treffpunkt: vor dem Schiller Theater (Ernst-Reuter-Platz), Karten unter 44052931

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