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Nachruf taz-Autor Dieter GrönlingDer Spezialist für alles

Allein durch ein Lachen und eine spitze Bemerkung hatte er in geschwätziger Runde mehr zu sagen als die meisten. Jetzt ist taz-Autor Dieter Grönling für immer verstummt.

Taz-Autor Dieter Grönling. Bild: rolf schulten

BERLIN taz | Auf seiner Visitenkarte stand als Berufsbezeichnung einfach nur "Spezialist". Er war der Rettungsanker für seine Freunde, sobald sich unerklärliche Phänomene auf den Bildschirmen zeigten. Schnell von Begriff und doch ein Perfektionist, die Ruhe selbst beim Schreiben, beim Redigieren, stets mit dem Absturz rechnend und daher auf alles gefasst. Wenn er etwas hasste, dann die Glätte und Wesenlosigkeit der konzerngesteuerten Netzwelt. Ein kleines, verwunschenes Problem, das es zu lösen galt, konnte ihn mehr aus sich herauslocken, als die langweiligen großen Fragen der Menschheit.

Ein bärenhafter Mann, weißhaarig und mit dem Gesicht eines zufriedenen Weinbauern. Ein Genussmensch, der gerne selbst kochte und aß. Zugleich stets up to date und ohne technisches Spielzeug nicht vorstellbar. Computerviren zu jagen und den Kopierschutz eines Programmes zu knacken, das trieb ihn zu Höchstleistungen an, wie andere vielleicht ein schwieriger Grat beim Klettern. Es begeisterte ihn, die Welt der Computer und des Internets, der er sich verschrieben hatte, mit einigen geschickten Drehungen aufzumischen und abschmieren zu lassen, um sie viel besser wieder aufzubauen, versteht sich.

Dieter war Hesse, von teils gefährlich anmutender, jäh aufbrausender Heftigkeit und Unbeirrbarkeit, die diesem oft verkannten Völkchen innewohnt. "Rumsfeld" lautete daher zeitweilig Spitzname. Hessisch war aber auch seine spielerische, neugierige Art: er konnte zuhören und schrieb unverwechselbar - ein Journalist alter Schule. Wenn er in seinen Texten erzählte, dann "menschelte" es. Und auch wenn er in der großen geschwätzigen Runde oft eher stiller genüsslich rauchender Teilhaber war, hatte er am Wirtshaustisch allein durch ein Lachen und eine spitze Bemerkung mehr zu sagen als die meisten.

Seine Homepage ist die lakonischste, die es gibt - ein Schlag ins Netz der Blogger und Selbstdarsteller, und wohl die einzige mit Link zum Ende des Internets: "The End of the Internet / Congratulations! This is the last page./ Thank you for visiting the End of the Internet. There are no more links. / You must now turn off your computer and go do something productive. / Go write a book about idiots."

Die taz, für die er nicht wenig geleistet hat, nannte er mit schmeichelhafter Geringsschätzung "das längst nicht mehr linke Traditionsblatt für Neospießer", und er nahm auch sonst nie ein Blatt vor den Mund. Nur über sich selbst hatte er beschlossen, "das Maul zu halten". In der Marburger Gegend geboren, wo einst die Gebrüder Grimm alte Mütterchen für ihre Märchensammlungen interviewten, war er sein Leben lang unterwegs. Lange auf Reisen, später mehr und mehr im Netz. Daher wusste er etwa auch, dass wikiwiki auf hawaianisch schnell bedeutet.

Als Lektor, Herausgeber, Redakteur, Ressortleiter, freier Journalist und Buchautor immer mit Arbeit eingedeckt, hat er davon geträumt, "endlich seine PCs entsorgen, um in einer weißen Villa über der portugiesischen Atlantikküste an einem weißen Flügel die Oper seines Lebens zu schreiben" . Wikiwiki zu sterben, das hätte sich Dieter nicht träumen lassen. Mein Lieber, warte bitte mit der Uraufführung, bis wir alle da sind.

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10 Kommentare

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  • F
    fnorg

    Über drei Jahre ist es her und ich erfahre es erst jetzt? Ich schäme mich dafür.

    Dieter war ein herzensguter Kerl, der mir eins der ersten Exemplare von "Elektronische Nächte" in die Hand drückte.. damals im DFÜ-Shop..

    Sympathisch und einfach klasse.

     

    Und der Nachruf ist hervorragend gelungen...

     

    Dieter, zu Deiner Oper komme ich.. aber lass Dir Zeit, ich habs nicht eilig!

     

    Ich trink heute abend einen schönen alten Calvados auf Dich..

     

    Andreas

  • A
    Anne

    Fast 2 Jahre später erfahre ich erst von Dieter Grönlings Tod.

    Immer wieder mal habe ich versucht ihn zu erreichen, da hätte es auch nichts geholfen früher zu googlen...

    Zabbel, wie wir ihn hier, in unserer Jugend liebevoll nannten, hat mich schon ein Stück meiner Jugend begleitet. Er war etwas älter als ich und mir schon damals ein Vorbild, obwohl er gleichzeitig auch ein bisschen verrückt war, naja, es war eben eine verrückte Zeit.

    Stolz führte er uns die Filmaufnahmen von Hendrix vor. Auf die Bemerkung, das Material sei teilweise ziemlich verwackelt, kam die Antwort, da habe er schließlich auf dem Verstärker gesessen und das solle ihm erstmal jemand nachmachen.

    Ob ernsthaft diskutierend oder süffisant unterhaltend, wir hatten die gleiche Wellenlänge.

    Ich habe viel von ihm gelernt, was mich ein stückweit geprägt hat. Und immer wenn mir die Bilder aus vergangenen Tagen einfallen, ist Dieter dabei und so wird es bleiben.

  • MK
    Michael Keukert

    Ein Jahr zu spät erfahre ich von Dieters Tod - und bin tief betroffen. Nie vergessen werde ich, wie er mich vor einer gefühlten Ewigkeit ermuntert hat ein Buch zu schreiben. Das provokante "Dann tu's doch!", gefolgt von einem Autorenvertrag den er für mich verhandelt hat. Nie vergessen werde ich den Besuch bei ihm in Berlin - übernachten auf der Couch, Kaffee am morgen. Mein erste Besuch in Berlin. Weitäugig, staunenden, das Nerd-Landei in der Großstadt.

     

    Ich habe danach den Kontakt zu ihm verloren, immer mal wieder in ruhigen Moment geguckt, was er so macht, nie die Zeit oder den Mut gefunden eine Mail zu schreiben oder zum Telefon zu greifen.

     

    Gerne hätte ich ihn wieder getroffen. So bleiben mir nur durchweg positive Erinnerungen - und Trauer.

     

    Mach's gut, Dieter.

  • T
    THExDUKE

    Vor ein paar Tagen schwirrte mir eine Melodie im Kopf die ich aus meiner Jugend / Kindheit kannte. Ich musste sofort nachsehen und tatsächlich fand ich das Intro von der Sendung "Hals über Kopf - Oh schreck oh schreck das Kind ist weg..." und teilte den Link mit meinen Freunden auf Facebook. Heute sah ich dass jemand einen weiteren Link eingestellt hatte mit dem Vermerk ob ich das auch noch kenne....es war "Achtung, hier kommt ein "Kartong"!! Sollte eigentlich auch jeder kennen.

    Unter den Kommentaren fand ich jemand der schrieb dass sein Freund, Dieter Grönling, diesen Clip "erfand" und gefilmt hatte. Neugierig wer das wohl war kam ich hierher und muss feststellen auf welchen sonderbaren Wegen doch man auf was schönes stossen kann! :)

     

    In diesem Sinne...Gute Reise!

     

    Gute Reise!

  • IM
    Inge M. Hofmann

    Einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben, wusste er wahrscheinlich gar nicht. Er hat mich zum literarischen Schreiben ermutigt, meine erste Kurzgeschichte veröffentlicht und wollte alle meine Manuskripte aus der Schublade an den Hanser Lektor weitergeben. Damals hatte ich den Mut nicht. Jetzt hätte ich seinen Rat gebraucht mit dem neuen Manuskript. Ich habe ihn gegoogelt und erfahre, dass er tot ist. Ich wollte ihn immer nach der Oper fragen... und mit ihm über einiges reden...Seine Artikelserie über die taz-Schreibtische war toll! Schöner Nachruf, vielen(traurigen)Dank!

  • H
    HSchrJ

    Dieter Grönling? Der, der mich mit seinem Buch "Elektronische Nächte" vor vielen Jahren dazu bewegt hat, meinen Compi mit einem Modem auszustatten? Mich in Mailboxen einzuwählen, BTX zu machen und später Internet?

    Ich habe schon stapelweise veraltete Computer-Bücher aus meinem Regal geräumt, die "Elektronischen Nächte" bleiben drin.

  • S
    stefank

    Ich kannte Dieter nicht sehr lange. Bei einem unseren ersten Treffen hatte ich meinen Eintracht-Button verloren, und Dieter hatte ihn gefunden, sofort erahnt, dass dies wohl meiner sein müsse und ihn für mich aufbewahrt. Als wir uns drei Monate später trafen, hat er in mir zurück gegeben, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er die sehr mangelhafte Nadelbefestigung verbessert habe. Ich habe Dieter sehr lieb gehabt, und bin traurig, dass es ihn nicht mehr gibt.

     

    Stefan

  • M
    Marco

    Dieter Grönling war ein ganz besonderer Mann. Nachdem wir uns mit verschiedensten Whiskys in einer Schöneberger Kneipe gegenseitig unter den Tisch zu saufen versuchten, entschied er, ein Buch von mir herauszugeben.

     

    Wir waren beide der Meinung, dass Paddys schmeckt wie Katzenpisse und dass Glenfiddich ein Anfänger-Malt ist.

     

    Dieter war sicher der einzige iPhonefan, der jemals Dutzende von Büchern veröffentlicht hat und in der Lage war, komplette Partituren vom Blatt zu lesen. Der Tonaufnahmen des Dresdener Gewandhausorchesters als Tontechniker abgemischt hat.

     

    Dieter hat mir seine Liebe zu Max Goldt weitergegeben und ich habe mich eigentlich noch auf viele, viele tiefsinnig-unsinnige Gespräche gefreut.

     

    Und jetzt ist er weg. Und dieses große Loch wird niemand jemals wieder füllen können - ein Grönlingförmiges Loch eben...

     

    Prost Dieter, halt mir nen Platz frei!

  • R
    Redbranch

    Kann mich ilcke nur anschließen.

    Ich habe zuvor auch noch nie was von dem Mann gehört.

    Aber aufgrund des liebevoll-unsentimentalen Nachrufs bin ich auch etwas traurig, dass er gestorben ist. Ich hätte ihn wahrscheinlich gemocht. Schade.

  • I
    iIcke

    auch wenn ich keine Ahnung hab wer der mann war, irgendwie ein schöner nachruf, ohne das ganze alter-karriere-todesursache-gelaber.