Nachruf auf Patricia Wedler: Eine singende Feuilletonistin
Sie war die unbestechliche, kluge und coole Lehrerin der Zuversicht. Die Hamburger Musikerin und Autorin Patricia Wedler alias DJ Patex ist gestorben.
![Patrica Wedler mit blauer Perücke und in einem Plüschanzug vor einer mit Graffiti bemalten Tafel Patrica Wedler mit blauer Perücke und in einem Plüschanzug vor einer mit Graffiti bemalten Tafel](https://taz.de/picture/6334167/14/katjaruge-patex-1.jpeg)
Die hiesige Indieszene trauert um Patricia Wedler. Die Hamburger Musikerin und Kulturwissenschaftlerin, die sich frei nach dem brasilianischen Musiker Tom Ze „singende Feuilletonistin“ nennen konnte, ist am 14. Juni gestorben. Obwohl Wedler, die sich als Künstlerin DJ Patex nannte, seit Langem mit der unheilbaren Nervenkrankheit ALS kämpfte, kam die Nachricht von ihrem Tod überraschend.
Wedler wirkte trotz der fortschreitenden Lähmungen sehr lebensfroh und hatte erst vor wenigen Tagen von der Hamburger Pudel Stiftung den „Unbestechlichkeitspreis“ überreicht bekommen: Ein Preis für die Menschen, „die Kunst nicht mit K schreiben, weil Kohle, Korruption und Kacke auch damit anfangen, sondern solche, die Kunst machen wegen Kunstmachen“, heißt es in den Statuten der Stiftung.
Geboren 1973 in Würzburg, wurde Wedler Anfang der Nullerjahre in der Hamburger Szene rund um den Pudel-Club bekannt. An der Seite von Knarf Rellöm im gemeinsamen Trio mit Viktor Marek spielte sie zunächst Bass. Egal ob das Trio unter dem Namen Shi-Sha-Shellöm, Knarf Rellöm Trinity oder A Tribe Called Knarf auftrat, trat Patex an der Seite der beiden auch als coole Sängerin und Keyboarderin in Erscheinung.
Auf dem aktuellen Rellöm-Album „Kritik der Leistungsgesellschaft“ hören wir sie skandieren: „Die Mieten sind zu hoch!“ Soziale Räume waren ein zentrales Thema in ihrem Leben. Als Jugendliche organisierte sie Konzerte im autonomen Würzburger Kulturzentrum AKW. Sie schrieb und arbeitete für linke Medien, wie die Schweizer WOZ und die taz.
Soziale Räume waren ihr wichtig
Als Teil des Hamburger Kollektivs Planbude – ein Zusammenschluss aus Aktivist:innen, Architekt:innen und Anwohner:innen – begleitete sie in den Nullerjahren die sozialverträgliche Neubebauung des Areals rund um die ehemaligen Esso-Häuser an der Reeperbahn auf St. Pauli, für deren Erhalt sie intensiv gekämpft hatte.
Ihr eigenes Pop-Projekt School Of Zuversicht gründete Patex als „offenes, kollektiv angelegtes Bezugssystem“, zuletzt in der festen Besetzung mit Tillamanda und Joachim Schütz. „An allem ist zu zweifeln“, hieß frei nach Marx ihr zweites Album, das im Sommer 2021 erschien. Darauf enthalten sind elegante Popsongs wie „Nur, weil du mir deine Wunden zeigst, bist du noch lange nicht mein Heiland“ und „Swimmingpool der Empathie“. Trotz Pandemie und extremer körperlicher Einschränkungen brachte Patex dieses außergewöhnliche Werk auf die Bühnen der Republik.
Kaum ist sie weg, fällt auf, dass Patricia Wedler unersetzbar ist im deutschsprachigen Pop: So offen, so klug, so emphatisch – und dabei so verdammt cool konnte sie sein. Es brachte sie wirklich kaum etwas aus der Fassung. Der Kapitalismus nicht, und die ganzen Arschlöcher erst recht nicht. Lieber war sie Gastgeberin eigener heterotopischer Räume und hat bis zu ihrem Lebensende alles dafür gegeben. „Lehrerin der Zuversicht, der nicht stumpfen, sondern messerscharfen Lebensfreude“, schrieb der Berliner Musikerkollege Jens Friebe als einer ihrer Bewunderer in seinem Trauer-Tweet.
Eine umwerfende Präsenz
Ob hinter dem Tresen, am DJ-Pult des Pudelclub oder auf seiner Bühne, Patex hatte eine umwerfende Präsenz. Wie schön, dass Judith Rau 2021 mit ihr den Videoclip zum Song „Hinter dem Hügel“ im Hamburger Park Planten un Blomen gedreht hat, mit Carsten „Erobique“ Meyer als Meister an der Wasser-Orgel. Patex’ Lächeln hinter der verspiegelten Sonnenbrille kann man sich immer wieder anschauen!
Mach’s gut, liebe Patex. Deine klugen „Randnotizen from Idiot-Town“ werden uns sehr fehlen.
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