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Nachruf: Zum Tod von HR-Gründer Klaus SchwidrowskiDer Mann der Gegenöffentlichkeit

Er gründete vor fast 30 Jahren die Hamburger Rundschau. Sein Projekt überlebte Klaus Schwidrowski nur um elf Jahre. Jetzt starb er in Hamburg.

Klaus Schwidrowsk,i geboren am 12. November 1938, verstand unter Journalismus das Gegenteil von Bild und versuchte das mit der Hamburger Rundschau (HR) zu beweisen. Er wurde 72 Jahre alt. Bild: HR

HAMBURG taz | Er gab sich nicht gern zu früh zufrieden. "Tausend Leute mit tausend Mark" suchte Klaus Schwidrowski Anfang der 1980er Jahre, um in Hamburg eine Wochenzeitung zu gründen. Das Experiment hielt immerhin bis zum Beginn des neuen Jahrtausends, und Klaus Schwidrowski selbst überlebte es um elf Jahre: Am 14. Juli verstarb der Gründer der Hamburger Rundschau (HR) im Alter von 72 Jahren.

Es war die Zeit der wachsenden Gegenöffentlichkeit, damals vor drei Jahrzehnten, und Klaus Schwidrowski war mittendrin. Die Zeit war reif für andere Zeitungen, das sah auch er. 1977 hatte der Schriftsteller Günter Wallraff undercover als Redakteur bei Bild in Hannover gearbeitet, sein Enthüllungsbuch "Der Aufmacher" erschütterte den Springer-Konzern mehr als ein Jahrzehnt zuvor die "Enteignet Springer"-Kampagne der 68er. Die CDU-Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Ernst Albrecht und Gerhard Stoltenberg, versuchten "den Rotfunk" NDR wegen seiner "einseitigen Berichterstattung" über die Konflikte um das Atomkraftwerk Brokdorf zu zerschlagen. Gesellschaftlich strittige Themen gab es reichlich: Ökologie, Frauenbewegung, Dritte Welt, RAF, Faschismusdebatten …

Es war die Zeit, in der zwei linke alternative Tageszeitungen gegründet wurden: Die Neue lebte nicht lange, die taz lebt immer noch. Und in diversen deutschen Städten entstanden - meist nur für wenige Monate, höchstens ein paar Jahre - liberale bis linke lokale Wochenzeitungen: im Norden war die Kieler Rundschau die erste, es folgte die NaNa - Hannoversche Wochenschau, und nach vier Nullnummern ging im April 1982 die Hamburger Rundschau mit einer Auflage von rund 16.000 Exemplaren an den Start. Verleger des selbst ernannten "Kaktus in der Pressewüste" war eine lokale "Initiative für Pressevielfalt": 17 gut situierte Redakteure, Anwälte, Professoren und Lehrer hatten den Grundstock von 50.000 Mark aufgebracht und tatsächlich die anvisierte D-Mark-Million bei Bürgern fast zusammengesammelt. Die Belegschaft wurde Miteigentümer, jeder durfte und musste alles und erhielt dafür ein Einheitsgehalt.

Auch ohne formelle Hierarchie leitete Schwidrowski, damals Anfang 40, die elfköpfige Redaktion, fast alle anderen hatten bestenfalls ein Volontariat und ansonsten nur guten Willen vorzuweisen. Er hingegen hatte beim Stern gearbeitet und bei der Hamburger Morgenpost, war Reporter in Italien und Südamerika gewesen und Lokalchef in Hamburg. Er hatte Erfahrung, er diskutierte gerne und stritt sich auch, wenn er es für nötig hielt. Pflegeleicht war Klaus Schwidrowski nicht.

Die sich verschärfenden Konflikte in der Redaktion über die eigenen basisdemokratischen Strukturen wurden nach nur gut einem Jahr durch ein Machtwort der Initiative - des Verlegers - entschieden: Ein Chefredakteur wurde von außen geholt und bekam zwei Stellvertreter aus der Redaktion zur Seite gestellt. Klaus Schwidrowski wurde Herausgeber und Geschäftsführer, dessen Rat beim neuen Dreigestirn nicht immer gefragt war. Ob er das als Degradierung empfand, war nie so ganz klar. So sehr trug er sein Herz dann doch nicht auf der Zunge.

Als die HR schließlich - nach Eigentümer- und Konzeptwechseln sowie langem Siechtum - im Sommer 2000 eingestellt wurde, lebte Klaus Schwidrowski längst auf den Kanaren. Zuvor hatte er sich eine Weile lang wieder als Journalist in Südamerika umhergetrieben, dann zog es ihn in seine Wahlheimat Teneriffa. Bei einem seiner Besuche in Hamburg traf ihn nun im Juni der Schlag. Nach Wochen im Koma starb Klaus Schwidrowski. Die Urne mit seiner Asche wird auf Teneriffa beigesetzt, auf einer Klippe über dem Atlantik.

Klaus Schwidrowski war einer, der die Presselandschaft in Hamburg verändert hat. Das ist sehr viel.

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2 Kommentare

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  • PS
    Peter Schmidt-Paasch

    Abenteuer Hamburger Rundschau

     

    Lieber Klaus,

     

    1985 i.d. langen Reihe; beim Gedanken an Dich, denke ich auch immer an Josef Singeldinger. Nur Ihr beide hattet in den wahrlich klitzekleinen Reaktionsräumen der HH-Rundschau ein Büro mit eigener Tür. Selbst Chefredakteur Karsten Peters, der auch schon über den Jordan gegangen ist, teilte sich mit Peter Prior sein Office.

     

    Wir anderen, die RedakteurInnen und Volontäre (u.a. ich), arbeiteten in einem "großen" Büroraum, den jeder Deiner Besucher durchqueren musste um zu Dir zu gelangen; bei den vielen Visiters die Du hattest, unangenehm, störend, der Konzentration aufs jeweilige Thema total abträglich. Oder aber wir suchten für unsere Schreibmaschine ein Plätzchen, eben da, wo noch etwas frei war.

     

    Diese Enge war ein Stachel in unser aller Fleisch. U.a. hatten wir ihr die unterschwellig stets vorhandene Unzufriedenheit und Gereiztheit zu verdanken; sie trübte das Betriebsklima nachhaltig. Hinzu kam, dass Du so gar kein Feingefühl für den von der Reaktion erwünschten basisdemokratischen Umgangston hattest. Abstimmen war nicht Dein Ding; Order geben ja. Auch damit hattest Du dich nicht gerade beliebt gemacht.

     

    Doch eines muss man Dir lassen. Es war mutig das „Abenteuer Hamburger Rundschau“

    anzupacken, das Kind auf die Beine zu stellen, und zum Laufen zu bringen. Alle Achtung!

     

    Ganz gleich wo Du jetzt bist, lass es Dir gutgehen!

     

    Ps. - Lieber Sven-Michael, das von Dir gewählte Foto i.d. Red.-küche zeigt Petra Oelker äußerst

    unvorteilhaft. Sie wird Dir die Ohren abreißen wenn sie es sieht.

  • PS
    Peter Schmidt-Paasch

    Abenteuer Hamburger Rundschau

     

    Lieber Klaus,

     

    1985 i.d. langen Reihe; beim Gedanken an Dich, denke ich auch immer an Josef Singeldinger. Nur Ihr beide hattet in den wahrlich klitzekleinen Reaktionsräumen der HH-Rundschau ein Büro mit eigener Tür. Selbst Chefredakteur Karsten Peters, der auch schon über den Jordan gegangen ist, teilte sich mit Peter Prior sein Office.

     

    Wir anderen, die RedakteurInnen und Volontäre (u.a. ich), arbeiteten in einem "großen" Büroraum, den jeder Deiner Besucher durchqueren musste um zu Dir zu gelangen; bei den vielen Visiters die Du hattest, unangenehm, störend, der Konzentration aufs jeweilige Thema total abträglich. Oder aber wir suchten für unsere Schreibmaschine ein Plätzchen, eben da, wo noch etwas frei war.

     

    Diese Enge war ein Stachel in unser aller Fleisch. U.a. hatten wir ihr die unterschwellig stets vorhandene Unzufriedenheit und Gereiztheit zu verdanken; sie trübte das Betriebsklima nachhaltig. Hinzu kam, dass Du so gar kein Feingefühl für den von der Reaktion erwünschten basisdemokratischen Umgangston hattest. Abstimmen war nicht Dein Ding; Order geben ja. Auch damit hattest Du dich nicht gerade beliebt gemacht.

     

    Doch eines muss man Dir lassen. Es war mutig das „Abenteuer Hamburger Rundschau“

    anzupacken, das Kind auf die Beine zu stellen, und zum Laufen zu bringen. Alle Achtung!

     

    Ganz gleich wo Du jetzt bist, lass es Dir gutgehen!

     

    Ps. - Lieber Sven-Michael, das von Dir gewählte Foto i.d. Red.-küche zeigt Petra Oelker äußerst

    unvorteilhaft. Sie wird Dir die Ohren abreißen wenn sie es sieht.