Nachruf Teofila Reich-Ranicki: Geteilte existenzielle Erfahrungen
Seit dem Warschauer Ghetto waren Teofila Reich-Ranicki und ihr später berühmter Mann ein Paar. Er glänzte, sie lachte. Nun ist sie gestorben.
Wenn die Kameras in die Totale gingen, sah man oft sie aufmerksam lächelnd in der ersten Reihe sitzen. Teofila Reich-Ranicki war immer im Hintergrund dabei, wenn ihr Mann mit großer Geste im Fernsehen den Kritikerentertainer gab. Aus der Zuschauerperspektive konnte man diese stets sorgfältig gekleidete Frau für eine Art Talisman halten und ihre Rolle als Ehefrau an der Seite des berühmten Mannes als Anachronismus. Aber was weiß man schon über solche lebenslangen Paare, die solche existenziellen Erfahrungen teilen?
Teofila Reich-Ranicki, am 12. März 1920 in Lodz geboren, hat ihren Mann im Warschauer Getto kennengelernt. Wie schrecklich und bedrückend das alles war, hat Marcel Reich-Ranicki in seiner Autobiografie "Mein Leben" redlich und eindringlich beschrieben. Man kann das auch spüren in den ausdrucksstarken Illustrationen zu Erich Kästner, die Teofila Reich-Ranicki 1941 im Getto anfertigte und ihrem Partner (geheiratet wurde hastig 1942) schenkte - hungernde und bettelnde Kinder, alte Frauen, die ihr ganzes Hab und Gut im Bollerwagen hinter sich her ziehen, demütigende deutsche Soldaten sind darauf zu sehen; vor zehn Jahren sind die Zeichnungen in einer würdigen Faksimile-Ausgabe erschienen.
Gefunden haben sich die beiden in ihrer Liebe zur Musik und zur Literatur. Er wuchs in etwas verkrachten Verhältnissen, aber doch bildungsbürgerlich in Berlin auf; sie war die Großbürgertochter eines Kaufmanns, für die das fließende Französisch so selbstverständlich war wie das gute Klavierspiel. Beider Jüdischsein war mit Weltoffenheit verknüpft. Dass die Literatur sein Exil sei, hat er oft laut betont; sie hat bestätigt, es mit ihm zu teilen. Und von ihr war auch zu hören, dass sie die traumatischen Erlebnisse aus der Nazizeit nie wieder verlassen haben.
Nach dem Krieg hat Teofila Reich-Ranicki in Polen als Journalistin und Übersetzerin gearbeitet. Nach dem Umzug 1958 in die Bundesrepublik, der im Kalten Krieg einer Flucht gleichkam, hat sie erst in Hamburg gewohnt, dann in Frankfurt a.M. Zwei Dinge wurden in Porträts immer betont: ihr lustvolles Rauchen und ihr Humor. Am Freitag ist Teofila Reich-Ranicki 91-jährig in Frankfurt gestorben.
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