Nachruf Said Sayyam: Der Hamas-Hardliner
Said Sayyam, 49, Exinnenminister der Hamas in den palästinensischen Autonomiegebieten, starb bei einem israelischen Luftangriff. Er galt als Falke in der Hamas-Führung.
Mohammad Dahlan, einst Chef des Präventiven Palästinensischen Sicherheitsdienstes im Gazastreifen, dürfte die Nacht zum Freitag feiernderweise verbracht haben. Sein gefürchtetster Gegner ist tot. Said Sayyam hat Dutzende Mitglieder von Dahlans Fatah-Truppen auf dem Gewissen, abgeschlachtet auf offener Straße, gefoltert und vertrieben. Der in Gaza ansässige frühere Chef des Hamas-Innenministeriums starb am Donnerstagabend im Haus seines Bruders bei einem israelischen Luftangriff.
Er galt nach Expremierminister Ismail Hanijeh und Exaußenminister Mahmud al-Sahar als die Nummer drei in der Hamas-Hierarchie im Gazastreifen - und als der kompromissloseste. Unter seiner Führung entstand entgegen dem Veto von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die zunächst 30.000 Männer umfassende Hamas-Sicherheitstruppe. Die Hamas, der trotz ihres Wahlsiegs im Jahr 2006 die Kontrolle über die offiziellen palästinensischen Sicherheitstruppen verwehrt blieb, baute sich unter Sayyams Kommando eine eigene Armee auf. Damit wurde der Innenminister zur Schlüsselfigur der innerpalästinensischen Kämpfe im Juni 2007, die mit der Kapitulation der Fatah im Gazastreifen endeten.
Schon vor der Machtübernahme der Hamas hatte sich Sayyam auch bei den Israelis einen der obersten Plätze auf der Abschussliste ergattert. Sein für Israel schmerzlichster Erfolg war die Entführung des Soldaten Gilad Schalit im Juni 2006. Sayyams Ziel war die Befreiung der rund zehntausend palästinensischen Häftlingen. Um das zu erreichen, so glaubte er, "ist es unumgänglich, Soldaten zu entführen, um sie als Lösegeld einzusetzen".
Als Sohn palästinensischer Flüchtlinge wuchs der 1959 geborene Sayyam im Shati-Lager westlich der Stadt Gaza auf. Er studierte zunächst Naturwissenschaften und Mathematik an der Pädagogischen Hochschule in Ramallah, unterrichtete anschließend an verschiedenen Schulen der UNRWA (UN-Flüchtlingshilfe für Palästina), bis politische Meinungsverschiedenheiten mit seinen Arbeitgebern 2003 zu seiner Entlassung führten.
Ein Jahr später wurde er Mitglied der "kollektiven Führung" der Hamas im Gazastreifen. Kurz zuvor hatte Israel die beiden Hamas-Führer Scheich Achmad Jassin und Abdel Asis Rantisi exekutiert. Als die Hamas die Wahlen in den Palästinensergebieten für sich entschied, zog er als Innenminister ins Kabinett ein. Sayyam war verheiratet und hatte sechs Kinder. Einer seiner Söhne starb zusammen mit ihm bei dem Luftangriff. Die Hamas schwor Vergeltung für den Tod des ehemaligen Ministers: "Das Blut Said Sayyams wird zum Fluch des zionistischen Daseins werden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative