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Nachruf Albert Speer juniorDas Leben in der Stadt verbessern

Vielleicht wollte Albert Speer junior die Städte von den monströsen Bauwerken und Stadtplanungen seines Vaters heilen.

Der Architekt und Stadtplaner Albert Speer junior im Jahr 2012 Foto: dpa

„Wir haben nach dem Krieg die Chance vertan, klüger durchdachte, neue Städte zu bauen.“ Als der Frankfurter Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich 1965 in seinem Buch Die Unwirtlichkeit unserer Städte diese Kritik äußerte, musste er einen 30-jährigen Architekten tief beeindruckt haben, der bereits damals einen großen Namen hatte. Es war Albert Speer jun., dessen berühmterer Vater für jene unwirtliche Stadt steht, die Mitscherlich in seinem populären Büchlein geißelte.

Der Vater, der inmitten der Zerstörungsorgien des 2. Weltkriegs den Wiederaufbaustab gründete, träumte, als das monumentale, steinerne Berlin von den Alliierten zerbombt worden war, von der modernen, autogerechten Stadt. Einer Stadt ungehinderter Verkehrsflüsse, einer Stadt für die Maschine, nicht für den Menschen.

Wahrscheinlich gab es nichts, was die beiden Architekten so sehr voneinander trennte. Vielleicht hätte Mitscherlich gesagt, der junge Albert Speer, der 1964 sein eigenes Architekturbüro gründete, wollte die Städte von den monströsen Bauwerken und Stadtplanungen des Vaters heilen. Zwar äußerte er sich im Alter nicht mehr zur Vergangenheit des Vaters, dennoch war diese heilende Kraft sicherlich die geheime Triebfeder seiner Arbeit, der es vornehmlich um menschengerechte Stadträume ging.

Stadtautobahnen in Köln in alle vier Himmelsrichtungen

Besonders im Rheinland haben die einstigen Mitglieder des Wiederaufbaustabs, gelenkt aus dem Spandauer Kriegsverbrechergefängnis, ihre Tätigkeit fortgesetzt und das nahezu völlig zerstörte Köln wurde nach Rezepten wiederaufgebaut, an denen die Millionenstadt bis heute krankt: Stadtautobahnen sollten den Autoverkehr in alle vier Himmelrichtungen lenken und die Ringe wurden für den brausenden Verkehr umgerüstet. Fußgänger waren an diesen Orten nicht vorgesehen. Das galt auch für die Kölner Plätze, deren einziger Zweck darin besteht, die Verkehrsflüsse möglichst ungehindert zu verteilen.

Ausgerechnet Albert Speer jun. wurde vor zehn Jahren vom Kölner Verein „Unternehmer für die Region Köln e.V.“, maßgeblich unterstützt vom Adenauer-Enkel und Architekten Paul Bauwens-Adenauer, beauftragt, sich der Nachkriegssünden anzunehmen und einen Masterplan für eine städtische Reparatur auszuarbeiten. Albert Speer, von der Dringlichkeit seiner Aufgabe überzeugt, kommentierte: „An den Ringen bekommen wir eine grünere und urbanere Stadt.“

Speer junior war in der ganzen Welt tätig

Anders als sein Vater, der hauptsächlich für die „Welthauptstadt Germania“ und Nürnberg als Hauptstadt der Reichsparteitage baute, war der Sohn in der ganzen Welt tätig. Aber nicht im Sinne ihrer imperialistisch-architektonischen Eroberung. Auch nicht im Sinne eines Le Corbusier, der nach dem Krieg das indische Chandigarh mit den Segnungen der Moderne beglücken wollte.

Den High-Tech-Architekten und Verteidigern der Charta von Athen hielt er in seinem Manifest für nachhaltige Stadtplanung (2009) die Charta von Macchu Picchu (1977) entgegen: „Athen stand für Vernunft und Erleuchtung. Macchu Picchu steht für alles, was die Aufklärung nicht erfasst und in ihre Logik nicht einzuordnen ist.“ Albert Speer führt dabei natürliche Ressourcen und Umweltverschmutzung, Bewahrung des historischen und kulturellen Erbes an. Diesen Grundsätzen verpflichtet, baute er in den letzten Jahren Masdar City in den Vereinigten Arabischen Republiken – als „nachhaltige Stadt der Zukunft“.

Die abfalllose und autofreie Stadt

Tatsächlich war Speer davon überzeugt, aus ihr eine abfalllose, autofreie und CO²-neutrale Stadt zu gestalten. Von diesen Überzeugungen ließ er sich leiten, als er die neue City der nigerianischen Hauptstadt Abuja plante, sozusagen als Gegenentwurf zum urbanen Chaos in Lagos. Vor allem in China, einem Land mit rasanter Bevölkerungsentwicklung, rapidem Städtewachstum und riesigen ökologischen Problemen war Albert Speer, der seit 2007 in Shanghai ein Büro unterhielt, immer wieder tätig.

Zuletzt wieder vermehrt in seiner Heimatstadt, was die Denkschrift Frankfurt für alle beweist. Auch dieses Manifest offenbart den Gegenentwurf zum Vaters: Albert Speer jr. wollte eine am Menschen orientierte Stadt, die das Leben in ihr verbessert.

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