Nachruf 9Live: Das Ende der Warteschleife
Nach knapp 10 Jahren ist der Abzock-Fernsehsender 9Live Geschichte. Er erhob das Hinhalten seiner Zuschauer zum Geschäftsmodell.
BERLIN taz | Immerhin Stephan Nowara wird 9Live vermissen. "Schade, dass es euch nicht mehr gibt. Ich habe jeden Tag Neunlive geschaut und ihr ward (sic!) einfach spitze", schrieb der Berliner am 3. Juli ins Gästebuch der Homepage von 9Live-Moderator Thomas Schürmann.
Seit dem 31. Mai strahlte der zu ProSiebenSat.1 gehörende Sender keine Call-in-Quizshows mehr aus, am Dienstag wurde er ganz eingestellt – zugunsten des Frauenkanals Sixx, der nun vielerorts stattdessen zu empfangen ist. Damit schließt sich ein Kreis: 9Live ging 2001 aus dem Privatsender tm3 hervor, der sich ursprünglich auch an eine weibliche Zielgruppe gerichtet hatte.
"Ich bin zwar bei euch irgendwie nie durchgekommen", führt Stephan Nowara aus, "hatte aber trotzdem immer Spaß mit dir und dem ganzen Team." Das Team auch mit ihm, denn von solchen treuen Anrufern lebte der Sender, der das Hinhalten, das Anfixen, die Vorfreude auf ein paar Euro zum Geschäftsmodell erhob. Nur die wenigsten wurde für ihre Treue belohnt.
Für viele war 9Live daher Abzocke, für manche Familienersatz, kamen die Moderatoren doch täglich ins Wohnzimmer und quasselten stundenlang auf ihr Publikum ein, bis endlich mal wieder ein Anrufer durchgestellt wurde. Oft ging der dann auch noch leer aus, weil ihm Allerweltstiernamen wie der "Laichkrautzünsler" oder der "Samtstirnkleiber" partout nicht einfallen wollten.
Der Anfang vom Ende von 9Live war die 2009 in Kraft getretene Gewinnspielsatzung, die den Sender zu mehr Transparenz verpflichtete: Auch der Dümmste sollte verstehen, welch böses Spiel mit ihm getrieben wird – und tat das schließlich auch. Der "nachhaltig starke Rückgang der Call-TV-Erlöse in den vergangenen Monaten" veranlasste ProSiebenSat.1 zur Einstellung der einstigen Cashcow.
Was nun aus Schürmann und seinen KollegInnen wird? Der Weg in den "Big Brother"-Container ist ihnen verbaut. Da kommen viele ja her.
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