Nachgehakt: Partei im Herzen
■ Mit ihren Anspielungen auf die NSDAP befördert sich die NPD ins Abseits
Bei der von der NPD-Demonstration in Vegesack fiel am Samstag ein bemerkenswerter Satz. Thorsten de Vries, Gastredner aus Hamburg, sagte: „Die Partei und die Organisation, die wir im Herzen tragen, ist seit 1945 verboten.“ Über die Bedeutung der Äußerung sprach die taz mit Dian Schefold, emeritierter Professor für Verfassungsrecht an der Uni Bremen.
taz: Hat sich de Vries in Kontinuität mit der NSDAP gestellt?
Dian Schefold: Dem Wortlaut nach liegt das nahe.
Wenn diese Kontinuität belegbar wäre, müsste für ein Verbot dann noch ein weitergehender Beweis der Verfassungswidrigkeit erbracht werden?
Darüber kann man diskutieren. Man kann nicht sicher sein, dass der Redner für die Partei spricht. Er kann auch seine persönliche Meinung ausgedrückt haben. Außerdem verlangt Artikel 21, Absatz 2 des Grundgesetzes, dass man sich aktiv-kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wendet. Die Frage ist, ob ein solcher Verweis auf das eigene „Herz“ auch dazuzählt, wenn es keine weiteren Folgen hat. Allerdings würde ich diesen zweiten Einwand dadurch einschränken, dass ja das aktiv-kämpferische Verhalten der NPD aus anderen Dingen sehr wohl bekannt ist. Die Frage ist eher, ob es im Sinne einer nationalsozialistischen Partei geschieht oder einer nationaldemokratischen und möglicherweise nicht verfassungsfeindlichen Ideologie.
Ist nicht eine Nachfolgeorganisation der NSDAP ohnehin verboten – auch ohne dass sie aktiv-kämpferisch gegen die Verfassung eintritt?
Nur nach dem alliierten Besatzungsrecht, das allerdings nicht mehr gilt. Heute kommt dem Paragraphen 21.2 eine eigenständige Bedeutung zu.
Ist es rechtlich entscheidend, ob der Redner selbst NPD-Mitglied ist, wenn er auf einer NPD-Veranstaltung auftritt?
Für die Zurechnung schon. Man kann sagen, man hat hier einen Gastredner mit einer Herzensneigung, aber die NPD distanziert sich davon. Mit solchen Schutzbehauptungen wird man rechnen müssen.
Wie schätzen Sie die Relevanz solcher Äußerungen für das Verbotsverfahren ein?
Die Äußerung scheint mir ein zusätzlicher Baustein zu sein. Deswegen ist es wichtig, dass sie hinreichend hervorgehoben wird. Man wird dann sehen, ob die NPD sich davon distanziert.
Was könnte ein NPD-Verbot eigentlich bewirken?
Das Gerangel um die Verbietbarkeit von NPD-Versammlungen könnte aufhören. Zurzeit muss man ja jede NPD-Versammlung gestatten, so lange von der Versammlung keine konkrete polizeiliche Gefahr ausgeht. Die Verwaltungsgerichte tun sich absolut zu Recht sehr schwer damit, solche Gefahren zu akzeptieren. Wenn eine Partei dagegen verboten ist, darf sie eben nicht mehr demonstrieren. Fragen: jank
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