Nachgefragt: „Unbezahlbar“
■ Arbeitgeberverband gegen AFG-Novelle
Abfindungen sollen zukünftig so auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden, daß monatlich nur noch bis zur Hälfte des Arbeitlosengeldes übrig bleibt. So steht es im Entwurf der Bundesregierung für die Neuordnung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), die im November –96 verabschiedet werden soll. Die Gewerkschaften protestieren gegen diese Form der „Enteignung“. Was halten die Arbeitgeber davon? Wir haben bei den Unternehmensverbänden im Lande Bremen nachgefragt.
taz: Wie beurteilen Sie den Bonner Entwurf?
Burckhard Pfelzer, Syndikus der Unternehmensverbände: Unter Grundgesetz- und Verfassungsaspekten ist das höchst problematisch. Man greift die Lohnersatzleistungen an, die ja Versicherungsleistungen sind.
Welche Konsequenzen befürchten Sie?
Zum Beispiel für die Älteren, die bisher mit einer Abfindung ihre Rentenzahlungen ausgleichen mußten: Wenn deren Abfindungen angerechnet werden, dann wird das auch die Arbeitsgerichte überfordern. Dann wird jeder, der vor einer Kündigung steht dort um seinen Job kämpfen müssen, weil er mit dem Arbeitslosengeld nicht über die Runden käme. Es wird zu einer Explosion der Arbeitsgerichtsverfahren kommen. Ich finde, daß man ArbeitnehmerInnen, die ihren Job verlieren, nicht auch noch die Abfindung abnehmen kann.
Heißt das, daß Arbeitgeber grundsätzlich zu Abfindungszahlungen bereit sind? Die könnten doch nach der AFG- „Reform“ Entschädigungszahlungen einsparen?
Die Abfindung ist ein Instrument, das Einzelfällen Rechnung trägt. Wenn jemand z.B. seine Kündigungsfristen nicht eingehalten hat, muß er bisher durchaus einen Nachteil mittragen. Ihm wird ja ein Teil der Abfindung angerechnet. Aber jemanden, der völlig unverschuldet aus dem Arbeitsverhältnis raus muß, auch noch finanziell zu belangen – das sprengt, was man unter einer gütlichen betrieblichen Einigung versteht.
Ist es nicht so, daß die Arbeitgeber eine Überalterung ihrer Belegschaft befürchten, wenn die Vorruhestandsregelungen so erschwert werden?
Das kann der Fall sein, wobei man da gucken muß, welche Möglichkeiten der Gegensteuerung es schon gibt, z.B. durch die Verschlechterungen des Kündigungsschutzes. Ich befürchte, daß Ältere hohe Abfindungssummen einfordern müssen, um das geringer werdende Arbeitslosengeld auszugleichen. Da kommen unbezahlbare Größenordnungnen auf uns zu.
Insofern kann man wohl von einem Zweckbündnis der Arbeitgeber mit den Gewerkschaften sprechen. Werden Sie in der Abfindungs-Frage an einem Strang ziehen?
Daß sowohl die eine, wie die andere Seite in Bonn ihren Einfluß geltend macht, ist seit längerem so und wird auch so bleiben. Fragen: hof
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