Nachgefragt: Stadtwerke-Chef „kaltschnäuzig“
■ Bremens Wirtschaftssenator Hartmut Perschau (CDU) erinnert Stadtwerke-Chef an die Machtverhältnisse in Bremen
taz: Darf ein Aufsichtsrat seinem eigenen Unternehmen ein Geschäft untersagen?
Hartmut Perschau, Wirtschaftssenator: Ja. Gerade Aufsichtsräte von Firmen, die mehrheitlich in öffentlicher Hand sind, dürfen das öffentliche Interesse dabei nicht aus dem Auge verlieren. Das ist der Sinn einer 51prozentigen Beteiligung des Staates, sonst würden 49 Prozent auch reichen. Die Stadtwerke haben den Zugriff zu dem Adressenmaterial, sie sind durch das Ablesen sehr genau über den Stand der Instrumente informiert. Bei einem solchen Monopolisten mit Datendurchgriff müssen wir aufpassen, daß die gesetzlich gegebene Monopolstruktur nicht ausgebreitet und der Markt kaputt gemacht wird. Das klagt das Handwerk zu Recht aus öffentlichem Interesse bei uns ein.
Es geht hier nicht um die Frage, wie Herr Jochum das gerne darstellen möchte, daß wir ihn in einer marktwirtschaftlichen Tätigkeit behindern. Wir müssen ihn daran hindern, ein gewährtes Monopol zu mißbrauchen.
Darf der Aufsichtsrat das?
Die Frage ist aber hier mehr die, wie der Hauptgesellschafter mit dem Vorstand umgeht. Was Herr Jochum sich da so geleistet hat, auch an dreister Kaltschnäuzigkeit dem Problem gegenüber, um das es geht, auch Senatoren gegenüber, die im Aufsichtsrat sich befinden, das ist weit jenseits der Grenzen des üblichen Verhaltes. Es geht hier nicht um eine formal aktienrechtliche Frage. Es geht hier darum, ob die Stadtwerke einen Crash-Kurs zu ihrem Hauptgesellschafter machen wollen oder ob sie auch an einer mittelfristig vernünftigen Zusammenarbeit interessiert sind. Und ich wehre mich ganz intensiv dagegen, aus diesem Problem eine juristische Fingerhakelei zu machen. Hier geht es um eine ordnungspolitische Grundsatzauseinandersetzung. Daß Herr Jochum die Dinge sehr stark in eine formaljuristische Debatte verlagert, macht deutlich, daß ihm im ordnungspolitischen Bereich die Argumente fehlen.
Sind Sie heute froh, daß die Stadtgemeinde Bremen noch 51 Prozent der Stadtwerke-Aktien hält und die CDU sich 1995 nicht durchsetzen konnte mit ihrer Position, 74,9 Pozent der Stadtwerke zu verkaufen?
Ich glaube, daß niemand ernsthaft damals diese Möglichkeit ins Auge gefaßt hat. Es gibt heute viele Energiedienstleistungsunter-
nehmen, die in den Wärmemarkt hineingehen. Die machen das nur nicht mit eigenem Personal, sondern wickeln diese Aufträge selbstverständlich übers Handwerk ab. Das ist auch der normale Weg. Es ist nicht Aufgabe der Stadtwerke, dem Handwerk die Arbeit wegzunehmen. Man konnte 1995 nicht voraussehen, daß die Stadtwerke unter dem Vorstandsvorsitzenden Jochum diesen Rigorismus entwickeln, eine marktbeherrschende Position, die sie haben, noch weiter auszubauen.
Das ist das Risiko bei Privatisierungen.
Das kann das Risiko sein. Hier geht es darum, den Status eines noch staatlichen Monopols auszunutzen. Ich bin sehr erstaunt über den Rigorismus, den hier ein Vorstandsvorsitzender gegen seinen Hauptgesellschafter und gegen das ortsansässige Handwerk betreibt, das ist eine ganz ungewöhnliche Situation.
Trotzdem werden im Aufsichtsrat die privaten Anteilseigner mit den zehn Arbeitnehmern die fünf Senatsvertreter überstimmen.
Ich will dazu keine Prognose abgeben. Die Frage ist, ob man sich überhaupt einem solchen Aufsichtsrat in dieser Frage unterwirft. Es gibt ja auch einen Konsortialausschuß, in dem die Arbeitgebervertreter zusammenkommen.
Wir haben mit den Stadtwerken sehr viele politische Probleme zu lösen, von der Frage BEB bis hin zu Wohnungsbaugesellschaften, unterschiedlichste Bereiche. Deshalb ist es für mich so ganz ungewöhnlich und vom Verfahren her schwer nachvollziehbar, mit welcher Härte und welcher fehlenden Kooperationsbereitschaft der Vorstand der Stadtwerke bei diesem Thema argumentiert. Die Frage der Zusammenarbeit mit den Stadtwerken wird uns die nächsten 20 Jahre und darüber hinaus beschäftigen. Interview: K.W.
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