Nachgefragt: Boomt Bremen?
■ Bremens Brutto-Inlands-Produkt holt nach negativen Jahren erstmals etwas auf
Das Statistische Landesamt hat vor einigen Tagen der Öffentlichkeit mitgeteilt, nach der vorläufigen Berechnung läge das Bremer Wachstum des Brutto-Inlands-Produktes (BIP) im ersten Halbjahr 1997 bundesweit an der Spitze: 2,9 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 1996. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, daß beim Bezugswert von 1995 das Bundesland Bremen besonders schlecht dastand im Bundesdurchschnitt der westdeutschen Länder. Bedeuten die 2,9 Prozent ein Signal für eine Wende der bremischen Wirtschaftslage? Wir fragten den für diese Zahl zuständigen stellvertretenden Leiter des Statistischen Landesamtes, Horst Lange.
taz: Der Wirtschaftssenator hat schon erste Effekte des Sonderinvestitionsprogramms aus der von Ihnen veröffentlichten Zahl gemacht. Ist die Zahl 2,9 seriös?
Horst Lange: Das ist der Anstieg der preisbereinigten Bruttowertschöpfung, die erste Berechnung. Wir überprüfen und korrigieren das nach Ende des Jahres mehrfach.
Im Vorjahr lag Bremen bei dieser Kennziffer mit 0,6 um die Hälfte unter Bundesdurchschnitt. Gut steht Bremen also nur auf der Basis der deprimierend schlechten Vorjahreszahlen da.
Die 0,6 Prozent messen die Entwicklung des ganzen Jahres 1996 im Vergleich zu 1995 ...
Noch schlimmer.
Ja. Da war der Bundesdurchschnitt 1,3 Prozent. 1995 lagen wir gleichauf mit 1,6 Prozent.
Und die Werte vorher?
1994 lag Bremen mit 1,6 Prozent unter dem Bund mit 2,2 Prozent. 1993 hatte Bremen minus 3,4, der Bund nur minus 1,9. Und 1992 hatte Bremen minus 0,2 Prozent, der Bund plus 1,8.
Die gute Zahl in diesem Jahr bezieht sich auf eine ganz schlechte Ausgangsbasis, könnte aber eine Trendwende andeuten. Wie kommt das?
Das ist hauptsächlich das verarbeitende Gewerbe, das ist in Bremen stark exportorientiert.
Auto?
Der gesamte Investitionsgütersektor, durchgängig.
Bremen baut ja derzeit sehr viel, auch mit dem Geld des Sonderinvestitionsprogramms. Wenn Firmen aus Süddeutschland engagiert werden, wie schlägt sich das im BIP nieder?
Nur wenn eine bremische Firma beteiligt ist. Üblicherweise werden im Baugewerbe Arbeitsgemeinschaften gebildet, an denen auch örtlich ansässige Firmen beteiligt werden.
Wirkt sich das BIP auf das Steueraufkommen aus?
Direkt auf die unternehmensbezogenen Steuern ...
Das ist der geringere Teil im Verhältnis zu Lohn- und Einkommenssteuern. Das Bruttoinlandprodukt wird auch von den Pendlern mit erwirtschaftet, die ihre Lohn- und Einkommensteuern im Umland bezahlen. Sinkt die Bevölkerungszahl Bremens weiter?
Für das Jahr 1996 lag die Einwohnerzahl insgesamt um ca. 2.000 niedriger als 1995.
Das bedeutet: Keine Trendwende bei der für den Länderfinanzausgleich so wichtigen Kennziffer? Kein Denken an 55.000 zusätzliche Einwohner?
Für das erste Halbjahr 1997 zählen wir ca. 1.000 Einwohner weniger. Aber in den 70er und 80er Jahren hatten wir deutlich höhere Einwohnerverluste jedes Jahr. Int.: K.W.
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