piwik no script img

NachgefragtPrinzip Hoffnung

■ Die AOK zur Zahlungsmoral beim Notopfer für die Krankenhäuser

Ein Notopfer von 20 Mark für die Instandhaltung der Krankenhäuser treiben die Krankenkassen derzeit per Bettelbrief bei ihren Versicherten ein. Doch die Zahlungen gehen bislang nur schleppend ein. Bei der AOK haben erst 45.000 der insgesamt 150.000 Versicherten bezahlt. Wir sprachen mit Lothar Mueller aus dem AOK-Vorstand über die schlechte Zahlungsmoral und ihre Folgen.

taz: Sie haben bisher erst ein Drittel des Geldes zusammen. Der Verband der Angestelltenkassen hat jetzt das Land Bremen aufgefordert, die Instandhaltungskosten zu übernehmen.

Lothar Mueller, Vorstand der AOK: Das wäre natürlich der bessere Weg, aber diese Forderung ist alt. Das Notopfer wurde ja nach einem höchstrichterlichen Urteil vom Gesetzgeber in dieser Form festgelegt. Deshalb ist das Ziel, die Instandhaltung doch noch aus Steuermitteln zu finanzieren, mit einem Fragezeichen zu versehen.

Und was jetzt?

Wir gehen davon aus, daß nach Ablauf von vier Wochen mit einer Zahlungsquote von 60 Prozent zu rechnen ist.

Was macht Sie da so sicher?

Die Erfahrungen aus Hessen, die einen Monat vorher mit dem Verschicken der Briefe zum Notopfer angefangen haben. Sie haben diesen Zahlungseingang erreicht, und wir gehen deshalb davon aus, daß das Verhalten der Versicherten bundesweit so sein wird.

Bei 60 Prozent fehlen aber immer noch 40 Prozent. Bekommen die Krankenhäuser für ihre maroden Heizungsanlagen, Dächer oder Fenster trotzdem Geld?

Wir sind vom Gesetzgeber verpflichtet, die volle Summe an die Krankenhäuser zu zahlen.

Dann müssen Sie also an anderer Stelle sparen.

Die Zahlungsquote von 60 Prozent wird wohl nicht das Ende der Fahnenstange sein. Wir rechnen damit, daß es nach Erinnerungsschreiben an die Versicherten noch zu einem höheren Prozentsatz kommt ...

Also hoffnungsfroher Optimismus, daß doch noch alle zahlen?

Nein, diese Hoffnung haben wir dann doch nicht – trotz der Erinnerungsschreiben.

Also fehlt noch Geld. Und deshalb nochein mal: Wie bringen Sie die Summe auf?

Wir sind als Krankenkasse verpflichtet, gesetzliche Rücklagen zu bilden. Die belaufen sich auf einige Millionen Mark, und die werden wir dann angreifen, um den Differenzbetrag an die Krankenhäuser zu bezahlen. Das Notopfer wird sich also nicht beitragsrelevant auswirken.

Dann muß es der AOK finanziell ganz gutgehen. Dann denken sich die Versicherten: Das Notopfer brauchen wir gar nicht zu bezahlen. Außerdem sind sie ohnehin sauer, das Geld ganz ohne Arbeitgeberanteil aufbringen zu müssen.

Ein Zuschußgeschäft darf es für uns aber auch nicht sein. Wir gehen ja in den folgenden drei Jahren lediglich für die Krankenhäuser in Vorlage. Und wir werden unsere Versicherten erstmal erinnern, wenn sie nicht bezahlen, und nach drei Jahren gibt es die Möglichkeit, die anstehenden 60 Mark dann notfalls gerichtlich einzufordern.

Die Versicherten zahlen offenbar nicht, weil sie sauer sind, ständig zuzahlen zu müssen.

Das ist richtig. Vor allem, wenn man z.B. an die seit diesem Jahr geltenden Zuzahlungen bei Arzneimitteln, Kuren oder Zahnersatz denkt.

Das heißt aber, daß die Kassen dadurch jede Menge Geld gespart haben?

Das stimmt. Wir haben dadurch Einsparungen. Wir haben es heute strenggenommen bereits mit einer Dreiteilung der Kosten zu tun: Der Versicherte, der Arbeitgeber und nochmal der Versicherte durch seine Zuzahlungen müssen in die Tasche greifen. Fragen: Katja Ubben

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen