Nachgefragt: „Finanzielle Mauer“
■ MdB der PDS Heidi Knake-Werner über Bremens Recht auf Geld
Bremen ist genau wie die ostdeutschen Länder eines der Nehmerländer im Bundesfinanzausgleich. Die Geberländer Bayern und Baden-Württemberg forderten vor kurzem, die Verteilung der Gelder neu zu ordnen. Heidi Knake–Werner ist Bremerin und betreut als PDS-Bundestagsabgeordnete einen Wahlkreis in Ostdeutschland. Wir fragten sie, wer die Zahlungen nötiger hat – Bremen oder die neuen Länder?
taz: Bekommt Bremen unverhältnismäßig viel Geld aus dem Länderfinanzausgleich?
Heidi Knake-Werner: Ich haben nicht den Eindruck. Bremen hat eine Menge an Sonderbelastungen, wie das die Stadtstaaten ja ohnehin haben. Dafür gibt es ja einen besonderen Topf, auch beim Länderfinanzausgleich: z.B. hat Bremen Schwierigkeiten, weil die Pendler ihre Steuern in Niedersachsen zahlen. Seit 1969 muß man nicht mehr am Ort der Arbeit, sondern des Wohnsitzes Steuern zahlen. 1970 war Bremen das erste Mal dann auch Nehmerland.
Bremen bekommt pro Kopf 3.000 Mark Transferleistungen über den Finanzausgleich, die Ostdeutschen Länder hingegen nur 2.500. Ist das in Ordnung ?
Die ostdeutschen Länder haben das mindestens ebenso nötig, das ist klar. In den ostdeutschen Ländern existieren eine Fülle von zusätzlichen Problemen im Vergleich zu Bremen. Aber auch Bremen hat eine gehörige Portion an Umstrukturierungsmaßnahmen und Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen. Auch hier ist viel an Industrie weggebrochen. Bremen hat eine Langzeitarbeitslosenquote von über 40 Prozent. Allein für die Sozialhilfe hat Bremen 1998 einen Haushaltsansatz von 1 Milliarde Mark. Das sind immense Belastungen.
Ihre Partei ist bisher noch eine Ost-Partei. Machen Sie sich bei Ihren Wählern im Osten nicht unglaubwürdig, wenn Sie so hohe Ausgaben für Bremen verteidigen?
Die Vorstöße von Bayern und Baden-Württemberg laufen darauf hinaus, daß man eine neue Trennung der Länder vornimmt, eine neue finanzielle Mauer baut. Bremen würde sich dann Einreihen in die Lage der neuen Bundesländer. Viele Bedingungen hier sind ähnlich kompliziert.
Bremen geht es aber trotzdem noch besser als vielen Regionen in den neuen Bundesländern.
Ja, unbestritten. Hier ist die Infrastruktur besser, die Wirtschaftskraft ist stärker. Aktive Arbeitsmarktpolitik gehört hier zum Standard. Andererseits gibt es für die neuen Länder noch andere zusätzliche Fördermaßnahmen, die Bremen nicht bekommt.
Aber kann es angehen, daß manche Nehmerländer durch den Finanzausgleich von einem der letzten Plätze auf einen der ersten hochrutschten, was die Finanzkraft der Einwohner angeht?
Das ist eine Sache der Berechnung. Für Bremen gibt es Bundesergänzungszuweisungen und Sonderzahlungen zur Sanierung des Haushaltes. Diese Zahlungen werden in den Länderfinanzausgleich miteingerechnet, obwohl das nicht ganz solide ist. Den Ländern, die jetzt die Neustrukturierung des Länderfinanzausgleiches fordern, geht es ja auch darum, die kleinen Länder zu beseitigen.
Fragen: Christoph Dowe
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