Nachgefragt: „Ein Provisorium“
■ Die Polizei reagiert auf Kritik an der Bremer Abschiebehaft
Asyl- und Ausländergruppen kritisieren die Lage in der Abschiebehaft seit langem: Für die jährlich 300 Inhaftierten gebe es keinen ausgebildeten Sozialarbeiter, immer wieder verhindere Personalmangel den Gang an die frische Luft und regelmäßig müßten Besucher der Inhaftierten draußen bleiben. Über diese Vorwürfe sprach die taz mit dem Leiter des Polizeigewahrsams (PGW), Johann Janssen.
taz: Herr Janssen, immer wieder gibt es Klagen, zuletzt, weil für die Gefangenen die Taschengeldauszahlung vor Weihnachten und der damit verbundene Lebensmitteleinkauf ausfiel.
Johann Janssen, Leiter des PGW in der JVA Oslebshausen: Ja. Mit der Vertretung für den Einkäufer, der auch das Taschengeld ausgibt, hat es nicht geklappt. Im letzten Jahr war es genauso. Aber da sind die Sozialbehörde und der Träger der BSHG-19-Stelle, der Dachverband der Ausländer- und Kulturvereine, zuständig. Was ich wegen dieser Angelegenheit an Geld vertelefoniert habe, glaubt mir niemand. Unsere Beamten haben aber natürlich eingekauft. Wir geben auch Telefonkarten aus; dringende Gespräche zum Rechtsanwalt können die Insassen sogar von unserem Diensttelefon aus erledigen.
Die Beamten im Gewahrsam trifft wenig Kritik. Asyl- und Ausländergruppen bemängeln vielmehr die insgesamt mangelnde Sozialarbeit. Sehen Sie das auch, oder halten Sie diese Kritik eher für ideologisch?
Wir müssen auch selbst Betreuungsarbeit leisten. Es ist ja unser Interesse, Ruhe miteinander zu haben. Das ist in der letzten Zeit gelungen, niemand ist ausgeflippt. Ein, zwei Kollegen engagieren sich da sehr, aber wir sind alle mit dabei. Ich zum Beispiel gebe nichts mehr in die Altkleidersammlung, sondern alles in unser Notfallkontingent für Abschiebehäftlinge und auch für Leute im Gewahrsam. Denen nehmen wir die Kleider manchmal zur Spurensicherung weg.
Immer wieder wird die gemeinsame Unterbringung von Abschiebehäftlingen mit Festgenommenen im Gewahrsam kritisiert, weil Abschiebehäftlinge sich im Haus deswegen nicht frei bewegen können.
Unser Haus liegt am Ausgang der Haftanstalt, so daß Sicherheitsaspekte vorgehen. Wir müssen die Leute einschließen. Aber wird sind großzügig und schließen Häftlinge auch zu Besuchen zusammen.
Kostet das nicht viel Personal?
Ja. Im neuen Präsidium in der Vahr ist das anders geplant, da werden Abschiebehaft und Polizeigewahrsam getrennt. Ein großer Vorteil wird sein, daß die Leute dann vom ersten Stock aus über eine Freitreppe direkt in den Hof gehen können. Der Hofgang ist ja ein häufiger Kritikpunkt hier.
Wie erneut zwischen Weihnachten und Silvester.
Die wird es dann nicht mehr geben. Aber da war ein Viertel unseres Personals krank, dazu kam lang angemeldeter Urlaub ... und zweimal Hofgang am Tag ist auch eine Forderung, die gar nicht in Anspruch genommen wird. Morgens, vor zehn, ist hier kaum Bewegung Viele wollen lieber mittags eine Stunde länger draußen bleiben.
Im Fall eines Mazedoniers, für den sich jetzt die Ausländerbeauftragte einsetzt, ist die Besuchsregelung kritisiert worden. Seine Frau und seine kleine Tochter durften ihn mehrere Tage nicht besuchen.
Wer uns sowas mitteilt, bekommt aber einen Termin. Wir müssen es natürlich wissen. Ein Sozialarbeiter könnte da auch nicht helfen, der hat darauf kaum Einfluß. Das machen die Dienstgruppenleiter, die müssen ja auch Besucher von außerhalb vormerken. Ausnahmen für Berufstätige nach 18 Uhr können wir aber nur selten machen. Wir haben ja auch noch andere Aufgaben.
Welche Bedeutung haben ehrenamtliche Betreuerinnen, zum Beispiel die Asylgruppe, im Abschiebegewahrsam.
Der Kontakt zu denen ist eigentlich gut. Aber da moniere ich, daß sie, wenn sie Mißstände erkennen, anstatt mit uns zu sprechen, gleich an die Presse gehen. Das finde ich nicht gut. Man muß aber ehrlich sagen, daß die Unterbringung hier in Oslebshausen nur ein Provisorium ist. Fragen: Eva Rhode
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