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Nachgefragt„Vorgeschoben“

■ Die Grünen zur Parzellenmisere in Walle: „Nicht jeden Eierdieb jagen“

Nach geltendem Gesetz werden im Kleingartengebiet „Waller Fleet“ derzeit rund 250 Parzellen illegal bewohnt. Dagegen will Bausenatorin Wischer (SPD) nun vorgehen. Als Begründung dienen Urteile des Oberverwaltungsgerichts, nach denen der Gleichheitsgrundsatz verletzt werde. Wenn die Stadt in den Waller Lauben Wohnnutzung zuließe, dann müsse das auch in anderen Kleingartengebieten gelten. Innerhalb der nächsten acht Jahre plant der Senat deshalb, alle Nutzungen zu beenden, die nicht durch den Kaisen-Erlass geschützt sind. Peter Kudella, CDU, soll zwischen den Anwohnern und der Stadt vermitteln. Er sei sehr an einer friedlichen Lösung interessiert, sagt er. Ob, wie beim Umzug der Parzellenbewohner vom Weidedamm nach Lesum, am Ende auch eine politische Lösung stehen könnte, will jetzt noch keiner sagen. „Ich werde mich dafür einsetzen, dass alle rechtlichen Spielräume genutzt werden“, antwortet vage der baupolitische Sprecher der SPD, Carsten Sieling. Für die Grünen plädiert Fraktionschefin Caroline Linnert schon heute für eine politische Lösung.

taz: Der Senat begründet seine Entscheidung, gegen die „illegalen“ Bewohner am Waller Fleet vorzugehen, mit der Angst vor Präzedenzfällen.

Caroline Linnert: Wenn es danach geht, dann schafft man in Bremen doch schon seit 50 Jahren Präzedenzfälle. Die Frage ist doch: Wird diese Gleichbehandlung tatsächlich irgendwo eingeklagt und wenn ja, sind diese Einzelfälle, die da auf Bremen zukommen, so schlimm?

Der Vorschlag der Grünen?

Aus unserer Sicht wäre es ein Leichtes, im Rahmen der Gesetze eine politische Lösung zu finden. Zum Beispiel eine neue Stichtagsregelung, nach der man für die zur Debatte stehenden Bewohner eine Duldung ausspricht. So könnte man den Status quo in dem Gebiet, das sozial ja gut funktioniert, erhalten.

A propos sozial: Nach Auskunft des Waller Obdachlosen-Cafés Tasse haben dort auch ein paar Wohnungslose Quartier bezogen. Wenn es strikt nach Gesetz geht, dürften sie auf keinen Fall dort bleiben.

Sozialpolitisch ist die Auflösung eines solchen Gebietes völlig unsinnig. Es gibt nun mal Leute, denen ist es in der Stadt zu eng. Da muss man auch mal ein Auge zudrücken und nicht jeden Eierdieb jagen. In Dänemark gibt es Projekte, in denen „schräges Wohnen für schräge Leute“ staatlich gefördert wird. Aber da regiert ja auch keine große Koalition.

Die Baubehörde sieht auch „Sicherheitsproblematiken“. Wenn es auf einer bewohnten Parzelle brennt und die Feuerwehr das Haus nicht erreichen kann, könnte die Stadt zur Verantwortung gezogen werden.

Solche Haftungsfragen halte ich für vorgeschoben.

Der Senat will acht Jahre lang rund eine Million Mark jährlich für den Abriss von Parzellen und Schwarzbauten ausgeben. Wie bewerten Sie das?

Die Grünen haben schon gegen die 300.000 Mark interveniert, die im laufenden Haushalt dafür vorgesehen sind. Hat Bremen denn keine anderen Probleme? Hier werden Jugendeinrichtungen geschlossen und auf der anderen Seite gibt man Geld aus, um ein Parzellengebiet zu bereinigen. hey

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