Nachgedreht: Neid vermeiden – verdienen, schweigen
■ Die swb-Stadtwerke publizieren Personalausgaben für den Vorstand nicht, dabei wären sie dazu verpflichtet
Vorstandsvorsitzende von Aktiengesellschaften verdienen viel, das weckt immer den Neid derer, die für weniger schuften müssen. Insbesondere wenn demBetriebsrat und der Belegschaft klar gemacht werden soll, dass sie abspecken und auf Privilegien verzichten und eventuell auch den Abbau der Arbeitsplätze hinnehmen müssen, dann ist die Frage unangenehm, ob die Unternehmensleitung mit gutem Beispiel vorangeht oder ob vielleicht „ganz oben“ Speck angesetzt wird, während unten abgespeckt werden soll.
So beschäftigt es die Arbeitnehmer der alten Bremer Stadtwerke, dass seit dem Übergang zur neuen swb die Vorstandsgehälter nicht mehr in den Bilanzen der AG veröffentlich werden. Bis 1995 war das der Fall, der „alte“ Vorstand kostete das Unternehmen 900.000 Mark im Jahr und das Geld teilte sich auf drei Personen.
„Was der neue swb-Chef Gerhard Jochum verdient, wird nicht verraten“, berichtete der Radio-Bremen-Wirtschaftsredakteur Reinhard Sablotny diese Woche. Das wäre auch korrekt: Was einzelne Personen verdienen, muss nicht publiziert werden. Aber wenn es zwei oder drei Vorstandsmitglieder in einem Unternehmen gibt, dann gilt die Publizitätspflicht für Aktiengesellschaften. Der Radio-Bremen-Redakteur zitierte den Bremer Rechtsprofessor Hagen Lichtenberg: „Von der Größe her gibt es gar keinen Zweifel, dass die swb-AG alle Publizitäts-pflichten erfüllen muss, die für Aktiengesellschaften gelten.“
Bei der swb weiß aber nicht einmal der Aufsichtsrat, was die Vorstandsmitglieder verdienen. Nur der kleinere „Personalausschuss“ des Aufsichtsrates kennt die Gehälter. Um so größer die Aufregung, als ein Leserbriefschreiber in der taz im vergangenen Herbst ausplauderte, dass Jochum sich eine 12-prozentige „Apanage“ genehmigen ließ, während ältere Mitarbeiter „herausgemobbt“ werden.
Weil die Summe der Vorstandsbezüge Rückschlüsse auf die Bezüge der einzelnen zuließe, müsse die AG nichts darüber veröffentlichen, erklärte der Vorstands-Mitarbeiter Heinrich Volker. So sieht es auch die Bremer Umweltsenatorin, die bis vor kurzem Aufsichtsratsvorsitzende der swb war. Wenn es wirklich nur einen Vorstand gibt, steht das Persönlichkeitsrecht wirklich höher als das Informationsinteresse der Aktionäre und des Publikums. Bei mehreren Personen, so jedenfalls der Jurist Lichtenberg, sei die Publikationspflicht eindeutig. Bei Verstoß drohe eine Geldbuße bis zu 50.000 Mark.
Normalerweise setzen Kleinaktionäre auf Hauptversammlungen die Transparenz auch in dieser Frage durch. Da aber die swb keine kleinen Aktionäre hat, sondern nur wenige große Anteilseigner, gab es bisher keinen „Kläger“ in der Sache. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen