Nachfolge von Klaus Wowereit: Thronfolger gesucht
SPD-Chef Jan Stöß und Fraktionschef Raed Saleh würden gerne Berlins Regierenden Bürgermeister ablösen. Doch ihr Duell fällt aus.
BERLIN taz | Zwei Wochen lang herrschte in Berlin so etwas wie Wahlkampf. Zwei Wochen lang sah alles so aus, als fiele endlich eine Entscheidung in der Frage um die Nachfolge von Klaus Wowereit (SPD), seit 2001 Regierender Bürgermeister und durch die Pannenserie am geplanten Großflughafen BER angeschlagen.
Zwei Wochen stand im Raum, dass die Frage der Thronfolge auf dem SPD-Parteitag Mitte Mai geklärt würde: So lange überlegte Raed Saleh, der Fraktionschef der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, ob er gegen den amtierenden Berliner SPD-Parteivorsitzenden Jan Stöß antreten wolle. Doch Sonntagnachmittag verkündete Saleh seinen Verzicht auf das Duell. „Jan Stöß hat meine volle Unterstützung“, teilte Saleh noch mit. Etwas scheinheilig, das Ganze.
Denn diese Unterstützung braucht Stöß, zumindest auf dem Parteitag, gar nicht. Er ist nicht nur der einzige Kandidat. Dass Saleh nun nicht antritt, hängt auch damit zusammen, dass er gut rechnen kann: Seit Ende vergangener Woche war klar, dass er nicht genügend Kreisverbände hinter sich hat. Eine Niederlage hätte ihn ganz sicher aus dem Rennen um die Wowereit-Nachfolge geworfen. Die nächste Abgeordnetenhauswahl findet voraussichtlich im Herbst 2016 statt.
Seit knapp zwei Jahren flammt die Debatte um die Zeit nach Wowereit immer wieder auf – meist, nachdem erneut ein Eröffnungstermin des Pannenflughafens BER verschoben werden musste. Klaus Wowereit war lange und ist seit Dezember wieder Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft, die vom Bund und den beiden Ländern Berlin und Brandenburg getragen wird.
Zu viele potenzielle Nachfolger
Wowereit wäre schon längst gestürzt worden. Allein es fehlt an einem Nachfolger. Statt einer Person für den Chefsessel in Berlins Rotem Rathaus kommt eine ganze Reihe von Personen in Frage: Neben Stöß und Saleh fällt der Name von Arbeitssenatorin Dilek Kolat, die sich zuletzt bei der Auflösung des Flüchtlingscamps in Kreuzberg hervorgetan hat.
Und käme es zu einem Mitgliederentscheid, wie ihn einige Kreisverbände fordern, dürften sich auch der Senator für Stadtentwicklung Michael Müller und die Bundestagsabgeordnete Eva Högl durchaus Chancen ausrechnen.
Inhaltliche Differenzen spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle: Alle Genannten würden sich wohl als SPD-Linke einordnen – die sich allerdings immer den Schritt nach rechts offen halten. Saleh macht das sogar aktiv in der Zusammenarbeit mit dem Regierungspartner CDU.
In der Frage der Nachfolge wird der Parteichef als Erstes um seine Meinung gefragt. Darum wäre Saleh nach einer erfolgreichen Wahl zum Parteichef auf dem Parteitag so gut wie gesetzt gewesen. Ende März war im Spiegel ein mit „Der Kronprinz“ überschriebener eineinhalbseitiger Bericht über ihn erschienen, wenige Tage später kursierte das Gerücht, Saleh wolle gegen den amtierenden Parteichef Stöß antreten. Saleh, 36-jähriger gebürtiger Palästinenser, dementierte nicht und ließ lediglich vermelden, er sei im Urlaub. Bis Sonntag.
„Es ist gut, dass jetzt Klarheit herrscht. Denn die Spekulationen in den vergangenen zwei Wochen haben der Partei nicht genutzt“, kommentierte Stöß den Rückzieher. Klaus Wowereit gab am Montag auf Anfrage der taz keine Auskunft. Während weite Teile der Partei davon ausgehen, dass der dienstälteste Ministerpräsident des Landes nicht noch mal antritt, lässt der Regierende das explizit offen. Erst Ende 2015, Anfang 2016, so die offizielle Sprachregelung, will er erklären, ob er noch einmal zur Verfügung stehen würde.
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