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Nachdenken bei OpelMit Magna wären mehr Jobs weg

Trotz der Jobverluste können die Opel-Arbeiter mit dem Plan von GM nicht unzufrieden sein, findet Klaus Franz. Magnas Plan wäre schlimmer gewesen.

Es geht immerhin weiter: Montage bei Opel in Rüsselsheim. Bild: apn

RÜSSELSHEIM taz | Natürlich müssen Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre internationalistisch denken – und handeln. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von Opel in Deutschland, Klaus Franz, der auch Vorsitzender des Europäischen Arbeitnehmerforums von General Motors Europe ist, monierte deshalb am Dienstagabend in Rüsselsheim noch einmal die Schließung der Opelfabrik im belgischen Antwerpen. Dafür jedenfalls würden sich die Beschäftigten von Opel und Vauxhall nicht über Lohn- und Urlaubsverzicht mit 265 Millionen Euro an der Sanierung beteiligen, sagte Franz bestimmt.

"Dafür" also nicht. Der Bezirksleiter der IG Metall Frankfurt, Armin Schild, der wie Franz im Aufsichtsrat von Opel sitzt, hatte schon Ende Januar die Tonlage vorgegeben. Schild sprach nach ersten Gerüchten, dass GM das Werk in Antwerpen dichtmachen wolle, von "einer Kriegserklärung" an die Belegschaften aller Opelwerke in Europa. Doch seinem Aufruf zur "Mobilmachung" folgten dann nur ein paar Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre, die sich mit Bussen zu einem "Protesttag" nach Belgien kutschieren ließen. Eine geplante Protestkundgebung am Stammwerk in Rüsselsheim fand erst gar nicht statt.

Jetzt also liegt der "Zukunftsplan" für Opel auf dem Tisch, und GM fordert von der Bundesregierung und den Bundesländern mit Opel-Standorten insgesamt 1,5 Milliarden Euro zur Unterstützung. Doch während Schild weiter schimpft und Bund und Länder dazu auffordert, GM keine Kredite zur Verfügung zu stellen, signalisiert Franz nun auch wieder eine gewisse Bereitschaft zur Versöhnung: Dass GM jetzt beabsichtige, bis 2015 rund 11 Milliarden Euro in Europa zu investieren, könne er "nur begrüßen", sagte Franz. Nebenbei ließ er fallen, dass nun in Rüsselsheim 1.000 Ingenieure neu eingestellt werden müssten, wenn die von Reilly versprochene "ganze Palette neuer Produkte, die auf umweltfreundlichen Technologien basieren", realisiert werden solle. Für die jetzt schon dort arbeitenden 7.000 Ingenieure hatte GM bereits eine Jobgarantie ausgesprochen. Franz ist also auf der Verhandlungsebene angekommen.

Dass jetzt vor allem in Produktion und Verwaltung Arbeitsplätze vernichtet werden, ist für die Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre sicher nur schwer zu akzeptieren. Entsprechend groß ist die "rote Wut" auch an der Basis.

Doch auch viele Vertrauensleute an den Bändern und in den Bürotrakten der Autowerke haben mehrheitlich längst realisiert, dass ein "Anpassen an die Marktbedingungen", wie es Reilly nennt, angesichts der Überkapazitäten der Branche in Europa wohl unerlässlich ist. Denn trotz exorbitanter Verkaufserfolge mit den Modellen Insignia und Astra fährt Opel Monat für Monat weiter Verluste ein. Und sicher hat auch Franz längst (nach-)gerechnet und festgestellt, dass GM in Europa rund 3.000 Arbeitsplätze weniger abzubauen gedenkt, als im Konzept von Magna vorgesehen waren, dem früheren Betriebsrats- und Gewerkschaftsfavoriten für die Übernahme von Opel.

Am Ende müssen ohnehin alle mit - auch der weiter murrende Funktionär Schild. Denn zum "Zukunftsplan" von GM für Opel gibt es keine Alternative, weil es keine Alternative mehr zu GM gibt. Und es geht auch voran. In dem vom Arbeitsplatzabbau besonders betroffenen Bochum denken die Betriebsräte schon einmal laut darüber nach, wie man beim Arbeitsplatzabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen könnte. Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) glaubt sogar, dass der jetzt endlich vorliegende Sanierungsplan für Bochum "ein Stück Entspannung bedeutet". Schließlich sei das Werk nicht mehr in seinem Bestand gefährdet. Unter "bestimmten Bedingungen" sei das Land nun wieder zu einer Bürgschaft für GM bereit, so Thoben weiter.

Auch die Ministerpräsidenten von Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen, die sich mit ihrer Magna-Unterstützung vergaloppiert hatten, schlossen die Gewährung von Bürgschaften oder Krediten an GM nicht mehr grundsätzlich aus. Die Grünen im Hessischen Landtag sprachen sich am Mittwoch für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle Staatshilfe für Opel/GM bei der Bundesregierung aus. Mit Blick auf die Wahlen in Nordrhein-Westfalen möchten sie verhindern, dass es erneut zu einem Überbieterwettstreit der Länderchefs kommt, wie das bei den Unterstützungsangeboten für Magna der Fall war.

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