Nachbesserungen gefordert: Karlsruhe bremst Lissabon-Vertrag
Deutschland darf den EU-Reformvertrag von Lissabon vorerst nicht ratifizieren. Erst müssten die Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat gestärkt werden, so das Bundesverfassungsgericht.
KARLSRUHE afp/ap | Das Bundesverfassungsgericht hat den Ratifizierungsprozess in Deutschland zum EU-Reformvertrag von Lissabon vorerst gestoppt. Dem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil zufolge ist der Vertrag zwar mit dem Grundgesetz vereinbar, aber das Begleitgesetz dazu sei verfassungswidrig, weil es Bundestag und Bundesrat keine ausreichenden Mitspracherechte einräume.
Die Ratifikationsurkunde zum Lissabon-Vertrag darf deshalb solange nicht hinterlegt werden, bis ein entsprechendes Gesetz in Kraft getreten ist, entschieden die Verfassungshüter.
Das Verfassungsgericht stufte in seinem einstimmig gefällten Urteil das Zustimmungsgesetz zum Lissabon-Vertrag als mit dem Grundgesetz vereinbar ein. Dagegen verstößt aus Sicht Karlsruhes das Gesetz über die Rechte des Bundestags und des Bundesrats in EU-Angelegenheiten gegen die Verfassung. Das Parlament und die Länderkammer seien bei der Übertragung von Rechten an die Europäische Union bislang nicht ausreichend beteiligt.
Das Verfassungsgericht wies sich zudem selbst eine Kontrollfunktion bei der weiteren europäischen Integration zu. Zur Wahrung der Wirksamkeit des Wahlrechts und zur Erhaltung der demokratischen Selbstbestimmung sei es nötig, dass das Bundesverfassungsgericht darüber wache, dass Brüssel nicht die Verfassungsidentität verletze und nicht ersichtlich seine eingeräumten Kompetenzen überschreite, erklärte das Gericht.
Der Bundestag wird in Reaktion auf dieses Urteil im August zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Dabei soll die erste Lesung eines neuen Gesetzes zur Stärkung der Mitwirkungsrechte des Parlaments in EU-Fragen beraten werden, die das Bundesverfassungsgericht verlangt hat. Die zweite Lesung ist für den 8.September angesetzt. Diese Sondersitzung des Bundestages war bereits terminiert. Nach Angaben von CSU-Landesgruppenchef Ramsauer haben die Fraktionsspitzen der Koalition diesen Fahrplan am Dienstag vereinbart.
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