Nach der Wahl: Neuer Bundestag kommt zusammen
Die Abgeordneten haben ihre erste Sitzung. Auch die Rechte der Opposition sind Thema, da sie für wichtige Kontrollmechanismen zu klein sein könnte.
BERLIN dpa | Der im September neu gewählte Bundestag kommt an diesem Dienstag (11 Uhr) erstmals zusammen. Die 631 Abgeordneten werden den Bundestagspräsidenten wählen. Die Wiederwahl des CDU-Politikers Norbert Lammert gilt als sicher. Der 64-Jährige ist seit 2005 Präsident des Parlaments.
Eröffnet wird die konstituierende Sitzung vom ältesten Abgeordneten im Saal. Alterspräsident ist – wie schon 2009 – der CDU-Politiker Heinz Riesenhuber (77). Die Abgeordneten legen auch fest, wie viele Stellvertreter der Bundestagspräsident haben wird. In der zurückliegenden Wahlperiode stellte jede der fünf Fraktionen einen Vize. Diesmal beanspruchen CDU/CSU und SPD jeweils einen weiteren Vizeposten für sich.
Ein Thema vor der ersten Sitzung sind auch die Minderheitsrechte der Opposition. Sollte es zu einer großen Koalition kommen, hätten Linke und Grüne nur noch 20 Prozent der Sitze im Bundestag. Wichtige Kontrollrechte wie die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sind im Grundgesetz aber mit einem Quorum von 25 Prozent festgelegt. Die Geschäftsordnung des Bundestags enthält weitere Oppositionsrechte, die mit der 25-Prozent-Hürde versehen sind.
Alterspräsident Riesenhuber hat dennoch keine Bedenken, dass die Opposition ihrer Kontrollfunktion gegenüber der Regierung nachkommen wird. „Mir ist da nicht bange. Wir werden eine durchaus lebendige, eine muntere Opposition erleben“, sagte er der Passauer Neuen Presse.
Rolle der Opposition
Die SPD-Fraktion versicherte Grünen und Linkspartei, im Fall einer großen Koalition ihre Oppositionsrechte stärken zu wollen. „Die parlamentarische Demokratie braucht nicht nur eine starke Regierung, sondern auch eine wirksame Opposition“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann der Deutschen Presse-Agentur. „Die Opposition muss alle parlamentarischen Möglichkeiten haben, um die Regierung effektiv zu kontrollieren.“
Am Nachmittag (17.00 Uhr) erhalten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Minister ihrer schwarz-gelben Regierung von Bundespräsident Joachim Gauck die Entlassungsurkunden. Dies schreibt das Grundgesetz vor. Die Regierung bleibt allerdings geschäftsführend im Amt, bis das Parlament den neuen Regierungschef wählt.
Union und SPD wollen ihre Verhandlungen zur Bildung einer Koalition an diesem Mittwoch in großer Runde beginnen. Zuvor tagt an diesem Dienstag bereits die Steuerungsgruppe, um über die Einsetzung von 12 bis 14 Arbeitsgruppen zu sprechen.
Uneinigkeit über Mindestlohn
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles gab sich selbstbewusst. Die SPD werde nicht „kleinmütig“ in die Verhandlungen gehen, sagte sie der Rhein-Zeitung aus Koblenz. Um die Handschrift der SPD sichtbar zu machen, reiche ein Mindestlohn von 8,50 Euro nicht aus. „Wenn wir neben dem Mindestlohn für sieben Millionen Beschäftigte auch in der Pflege und Bildung etwas erreicht haben, dann können wir erhobenen Hauptes in die nächsten vier Jahre gehen. Wenn wir das nicht schaffen, wird es schwierig.“
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Arnold Vaatz, warnte vor den Folgen eines gesetzlichen Mindestlohns für Ostdeutschland. „Die Gefahr des Verlustes von Arbeitsplätzen ist nicht von der Hand zu weisen“, sagte er der Mitteldeutschen Zeitung.
Die Union will nach einem Bericht der Bild-Zeitung offenbar auch ihre Wahlkampfforderung nach einem höheren Kindergeld durchsetzen. Entsprechende Debatten gebe es in der CDU/CSU, schreibt das Blatt. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte der Zeitung: „Kindergeld und Kinderfreibetrag müssen erhöht werden, sobald sich finanzielle Spielräume dafür ergeben.“
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte Union und SPD vor unsolide finanzierten Rentenvorhaben. „Die Unionspläne für höhere Mütterrenten oder die Mindestrente der SPD würden die Rentenversicherung stärker belasten, als sie durch die Rente mit 67 entlastet wird“, sagte er der Welt. Niemand dürfe sich von der aktuellen Höhe der Rentenrücklage blenden lassen.
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