Nach der Notversorgung: Nicht nur Zelte und Container
Die Stadtgesellschaft muss tausenden Flüchtlingen ein Zuhause bieten. Dafür sind kreative und pragmatische Ideen erforderlich
Die neuen Flüchtlinge sind fürs erste untergebracht, in Hallen und anderen Notunterkünften. Mit insgesamt 8.000 Flüchtlingen für Bremen in diesem Jahr rechnete die Bundesbehörde für Migration (BAMF), in der Bremer Sozialbehörde kann man sich inzwischen auch höhere Zahlen vorstellen. Die Faktoren in Ungarn, im Irak oder Libanon sind so vielfältig wie unüberschaubar.
Die Frage der Notunterkünfte ist jede Woche neu aktuell, die Stadt muss aber weit darüber hinaus planen: Die Kriegsflüchtlinge werden in den nächsten Jahren nicht zurückkehren. Und die Debatte über die schnellere Abschiebung der Flüchtlinge aus dem Balkan bewegt sich bisher weitgehend auf dem Papier, im Verhältnis zu über 4.000 Flüchtlingen in diesem Jahr sind die Zahlen aber eh marginal: Von rund 100 rechtskräftigen Ablehnungen von Asylgesuchen für die Stadt Bremen im laufenden Jahr betrafen 87 Flüchtlinge vom Westbalkan – 36 sind aus Bremen freiwillig ausgereist, für 17 gibt es eine Duldung, 34 Verfahren sind noch offen. Abschiebungen vollzieht die Bremer Innenbehörde nur in Ausnahmefällen.
Bremen will die Flüchtlinge mittelfristig in normalen Wohnungen unterbringen, das ist das erklärte Ziel. Wohnungsbauunternehmen wie die „Gewoba“ oder die „Brebau“ ziehen mit, andere wie die „Deutsche Annington“ nicht. Hier rächt sich, dass Bremen eine seiner Wohnungsbaugesellschaften, die „Bremische“, verscherbelte.
1.400 Wohneinheiten sollen pro Jahr neu entstehen. Als Rot-Grün diese Zahl festlegte, waren die aktuellen Flüchtlingsströme nicht im Blick. Offiziell soll die Zielzahl demnächst erhöht werden, vielleicht auf 1.600. De facto muss mehr Wohnraum geschaffen werden. Gestern hat der Senat den Bau von über 1.700 Plätzen in Wohncontainern und Holzhütten für insgesamt 45 Millionen beschlossen. Insgesamt stehen jetzt kurzfristig rund 53 Millionen Euro für den Bau weiterer Unterkünfte zur Verfügung.
In der Nachkriegszeit gab es das Instrument der Beschlagnahme von leer stehendem Wohnraum – das wird derzeit bundesweit diskutiert, in Bremen noch nicht. Auch das große Gelände der alten Bremer Wollkämmerei in Blumenthal ist für eine Flüchtlings-Unterkunft derzeit noch tabu – die Wirtschaftsbehörde hofft noch auf einen industriellen Investor.
Bei den Neubauten ist der Einsatz von Containern die schnellste Lösung. In Huckelriede sollen demnächst 200 Plätze fertig werden, in Arbergen 120 Plätze. Der Bremer Architekt Stefan Feldschnieders und seine schiitische Mitarbeiterin haben bundesweite Aufmerksamkeit erfahren für die Idee, aus Containern eine Art „Dorf“ aufzubauen – nach außen abgeschlossen, innen mehr offen, wie es in der arabischen Architektur üblich ist. Die „Atrium“-Dörfer könnten eine Struktur vorgeben, die nicht ein für allemal „fertig“ ist.
Der Weimarer Geografie-Student Jan Dierk Stolle hat in Kooperation mit der Bremer Baubehörde seine Masterarbeit über die Zukunftsfragen der Flüchtlings-Unterbringung am Beispiel Bremens geschrieben. Die Ziele der Stadtgesellschaft hinsichtlich der Wohnintegration seien „aufgrund der aktuellen Notsituation nicht mehr zu halten“, stellt er fest. Flüchtlingen müsse eine stärkere Selbstbestimmung zugestanden werden, damit sie eine aktive Rolle in der Stadtgesellschaft spielen könnten. Und das bedeutet: Die „Option des Rückzugs in bekannte kulturelle Räume“ müsse ermöglicht werden.
In der Analyse benennt die Arbeit Stadtteile mit „progressiv-offenen Milieus“ und einer „integrationsfördernden Bildungsinfrastruktur“ wie Schwachhausen, die aber wenige freie Flächen bieten und zudem teuer sind. Andere, durch Leerstand und Abwanderung gekennzeichnete Stadtteile, wie Blumenthal oder Huchting, böten große Freiräume für Neuankömmlinge – müssten aber systematisch entwickelt werden.
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