Nach der NRW-Wahl: FDP muss in die Regierung
Erst hupen, dann bremsen: FDP-Chef Christian Lindner will nicht an die Macht in Nordrhein-Westfalen. Also nicht unbedingt. Also irgendwie doch.
An Verhandlungen habe er nur Interesse, wenn diese auch ein „gutes Ergebnis“ versprächen, so der 38-Jährige in Richtung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Armin Laschet. Mit 12,6 Prozent hatte Lindners FDP am Sonntag ihr bestes Ergebnis bei Landtagswahlen in NRW seit 1947 eingefahren. Für Laschets Christdemokraten entschieden sich 33 Prozent der WählerInnen.
Im Düsseldorfer Landtag verfügen CDU und FDP damit zusammen über eine hauchdünne Mehrheit von 100 der 199 Sitze. Da Nordrhein-Westfalens Sozialdemokraten den Gang in eine Große Koalition kategorisch ausschließen, gilt ein schwarz-gelbes Bündnis an Rhein und Ruhr als einzig realistische Regierungsoption: Damit ist Christian Lindner, der sich noch bitten lässt, quasi zum Regieren gezwungen.
Lindner, der in NRW seit 2012 auch als Chef der Landtagsfraktion amtiert, bemühte sich deshalb, die Christdemokraten nicht völlig vor den Kopf zu stoßen. In der Innenpolitik gebe es kaum Differenzen zwischen den beiden bürgerlichen Parteien: Der Streit um die von der CDU gewünschte Schleierfahndung, also von anlasslosen Polizeikontrollen überall, sei nicht mehr als ein Detail.
Auch sei er nicht gegen den Ausbau der Videoüberwachung, so der FDP-Chef. Im Wahlkampf hatte Lindner dagegen noch den Anschein erweckt, seine FDP auch als Bürgerrechtspartei positionieren zu wollen.
„Große Übereinstimmungen“
Wichtiger sei dagegen die „Ordnung der Zuwanderungspolitik“. Im bevölkerungsreichsten Bundesland sei er auf der Suche nach einer Alternative zur „Merkel-CDU“, tönte der Liberale und wiederholte seine Forderung nach einem Einwanderungsgesetz. Nach Einwänden von Journalisten musste Lindner dann aber doch einräumen, dass darüber natürlich auf Bundesebene in Berlin entschieden wird – auf landespolitischer Ebene geklärt werden müsse aber, ob Kinder von Flüchtlingen in Regelschulen unterrichtet werden oder speziellen Förderunterricht bekommen.
„Große Hürden“ sieht Lindner auch in der Wirtschafts- und Energiepolitik. Konkrete Beispiele wollte er aber nicht nennen.
Eine „schnelle Regierungsbildung“ versprach dagegen eine Stunde später der Christdemokrat Armin Laschet. „Wir werden zeitnah mit Sondierungen beginnen“, meinte der Wahlgewinner, nannte aber weder Zeitpunkt noch Ort. Gerade in der Wirtschaftspolitik gebe es zwischen CDU und FDP „große Übereinstimmungen“, warb der bisherige Oppositionsführer – und klang dabei fast so wie Lindners Liberale. Nordrhein-Westfalen sei ein „gefesselter Riese“, meinte Laschet wohl in Anspielung auf ein sogenanntes Entfesselungsgesetz, mit dem die FDP im Wahlkampf geworben hatte.
Wenn sich die FDP in der Innenpolitik flexibel zeige, sei eine „noch schnellere Einigung“ möglich. Allerdings: Den Verzicht der Sozialdemokraten auf eine Regierungsbeteiligung bedauerte Armin Laschet ausdrücklich. „Die SPD hätte die Chance gehabt, mitzugestalten“, meinte der CDU-Mann – na klar: schließlich wertet die SPD-Absage Lindners Wirtschaftsliberale letztlich auf.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung