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Nach der EurokriseSpanien verfehlt sein Defizitziel

Das Land hat die EU-Defizitmarke 2015 weit verfehlt: 5,16 statt 4,2 Prozent. Die spanische Regierung will nun die Regionen stärker kontrollieren.

Shoppen gehen bei dem Haushaltsdefizit wird zukünftig eher schwierig Foto: reuters

Madrid taz | Eurokrise ausgestanden? Fehlanzeige. Ausgerechnet das größte Sorgenkind, Spanien, hat 2015 die Defizithürde gerissen. Der konservative amtierende Finanzminister Cristóbal Montoro musste jetzt eingestehen, dass das mit Brüssel abgesprochene Ziel von 4,2 Prozent Haushaltsdefizit nicht erreicht wurde. Stattdessen seien es 5,16 Prozent. Jetzt droht ein Bußgeld der Europäischen Union.

Die Ausgaben liegen zehn Milliarden Euro über dem Ziel. Seit Spanien 2008 in die Krise geriet, erfüllte Madrid nur zweimal die Defizitvorgaben. Brüssel hat dem Land auf der Iberischen Halbinsel 40 Milliarden Euro zur Bankenrettung zur Verfügung gestellt. Die Staatsverschuldung stieg im Laufe der Krise von 39 Prozent 2008 auf mittlerweile rund 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Das erhöhte Defizit 2015 sei das Verschulden der autonomen Regionen, die den deutschen Bundesländern ähneln, entschuldigt Montoro die Mehrausgabe. Er hält sie jetzt zu mehr Sparen an. Nur die Kanarischen Inseln, Galicien und das Baskenland haben demnach die strikte Haushaltsdisziplin von maximal zwei Prozent Defizit eingehalten. Die größten Neuverschuldungen sind in Katalonien und der Region Valencia zu verzeichnen. Letztere wurde bis Mitte des Jahres ebenso wie Gesamtspanien von den Konservativen regiert.

Künftig sollen die Ausgaben der Regionen nicht mehr als 1,8 Prozent steigen dürfen. Spaniens Bürger wird dies besonders hart treffen. Denn die Regionen sind unter anderem für Bildung und Gesundheitswesen zuständig. Dort wurden im Laufe der Krise Zehntausende Arbeitsplätze abgebaut. Die Qualität der Schulen und Krankenversorgung leidet schwer darunter. Um im laufenden Jahr wie abgemacht auf unter drei Prozent Haushaltsdefizit zu kommen, müssen rund 25 weitere Milliarden Euro eingespart werden.

Jetzt droht der spanischen Regierung ein Bußgeld

Das schlechte Abschneiden 2015 war vorhersehbar. Das vergangene Jahr war ein Superwahljahr mit Regional-, Kommunal- und schließlich gesamtspanischen Wahlen. Die Regierung des konservativen Mariano Rajoy lockerte die Zügel, um den sozialen Kahlschlag der vergangenen Jahre vergessen zu machen. Für 2016 arbeitete die Regierung gar – trotz scharfer Kritik aus Brüssel – einen Haushalt aus, der Mehrausgaben im Sozialbereich und Steuersenkungen versprach. Es half alles nicht. Die Konservativen wurden an den Urnen abgestraft, verloren die meisten Regionalregierungen, viele Rathäuser und die absolute Mehrheit im Parlament in Madrid.

Spanien hat derzeit nur eine amtierende Regierung, die über keine Parlamentsmehrheit verfügt. Denn am 20. Dezember zogen erstmals vier starke Parteien in die Kammer ein, neben Rajoys Partido Popular (PP) und der sozialistischen PSOE, erreichte die neue Antiausteritätspartei Podemos mit über 20 Prozent einen großen Erfolg. Auch die rechtsliberalen Ciudadanos sind mit einer starken Fraktion vertreten. Die Parteien verhandeln bisher vergebens, eine Regierungsmehrheit zu bilden. Neuwahlen für Ende Juni werden immer wahrscheinlicher. Bis Spanien wieder politikfähig ist, könnte es Herbst werden.

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3 Kommentare

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  • Interessant ist doch, dass Spanien sich erst halbwegs wieder stabilisiert hat, seit dieses wahrhaft Brühningsche Ziel verfehlt wird...

     

    Was zu erwarten war: http://diekolumnisten.de/2015/10/10/heiner-flassbeck-kein-problem-ist-geloest/

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @sh:

      Dieses "wahrhaft Brühningsche Ziel" wird seit 2008 verfehlt! (Außerdem: Basierend auf BIP Wachstumszahlen und Arbeitslosenrate erholt sich Spanien bereits seit Sommer 2013)

      Staatsausgaben, basierend auf Schulden, haben lediglich einen kurzfristig positiven Effekt. Meistens wird der Staat an den positiven Effekten der Staatsausgaben nur indirekt (durch steigende Steuereinnahmen) beteiligt aber nicht direkt (Unternehmensgewinne). Dadurch kann der Staat seine Schulden nur mit neuen Schulden bedienen (sog. roll-over) und ist somit empfindlich für Zinsschwankungen. Zudem kommt, dass Konsum auf "pump" einen erheblichen negativen Effekt hat: Die anfallenden Kosten für Zinsen stehen dem Staat nicht für zukünftigen Konsum zur Verfügung.

  • "Verfehlt sein Defizitziel", auch mit der Negation der Negativität kommt dabei nur etwas echt finanztechnisches heraus. Unfassbar sozusagen, was das spanische Budget für eine Volte geschlagen hat um dem Kommentator eine solche Wendung in die Hand zu geben.

    MfG.