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Nach den Anschlägen in ParisDie Maschinenpistole bleibt im Auto

Debatte um Ausrüstung und Ausbildung von Streifenpolizisten. Innensenator bezweifelt Wehrhaftigkeit der Hauptstadtpolizei.

Bundespolizistin mit Maschinenpistole am Hauptbahnhof. Foto: dpa

Schon nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo stand die Frage im Raum. Jetzt, nach den neuerlichen Anschlägen in Paris ist sie wieder da: „Was wäre in Berlin, wenn …„ Die Debatte eröffnet hat dieses Mal Innensenator Frank Henkel (CDU), indem er die Wehrhaftigkeit der Polizei öffentlich infrage gestellt hat.

„Der einfache Streifenpolizist ist solchen Terroristen hoffnungslos unterlegen“, sagte Innensenator Henkel vor ein paar Tagen den Medien. Die Kritik folgte prompt (die taz berichtete). Henkel habe die Terroristen regelrecht eingeladen, schimpften etwa die Piraten.

Der SPD-Koalitionspartner forderte von Henkel eine schonungslose Analyse, „statt ohne Sinn und Verstand die Polizei aufzurüsten“.

Die Realität sieht so aus: Jeder Polizeibeamte trägt eine SIG Sauer Pistole im Halfter, acht Patronen à neun Millimeter. In jedem Streifenwagen befindet sich eine Maschinenpistole MP5 – rund 30 Schuss ohne nachzuladen. Laut Polizeisprecher Stefan Redlich sind alle Einsatzfahrzeuge aktuell noch einmal angewiesen worden, die MP5 dabei zu haben. Anders als Bundespolizisten, die die Maschinenpistolen an Verkehrsknotenpunkten der Stadt sichtbar tragen, zeigen Berliner Polizisten die Waffe nicht offen.

Auch nach dem Anschlag auf Charie Hebdo Anfang 2015 war das so. Die Polizisten, die zehn Tage lang rund um die Uhr die Berliner Zeitungsverlage bewachten, trugen keine Maschinenpistolen. Prompt kam damals der Vorwurf von der Polizeigewerkschaft, die Beamten seien ohne Waffen Kanonenfutter.

Streifenbeamte trainieren bis zu dreimal im Jahr mit der MP5. Die Bewältigung von Amoklagen wird laut Redlich sowohl in der Aus- als auch Fortbildung trainiert. Die Beamten sind mit Schutzwesten ausgerüstet, die gegen Messerstiche und Pistolenmunition schützen, aber nicht gegen Patronen, die – wie in Paris – aus einer AK47 Kalaschnikow abgegeben werden.

Seit Charlie Hebdo häufen sich bei der Polizei bundesweit die Stimmen, Streifenpolizisten müssten auf Terrorlagen vorbereitet werden. „Was in Paris passiert ist, ist anders, als wenn ein Verrückter Amok läuft“, sagen Insider. Streifenbeamte seien immer die ersten vor Ort.

Auch im Pariser Musikclub Bataclan war das so. Zwei einfache Polizisten waren mit gezogenen Pistolen in den Club gestürmt, als sie Schüsse hörten. Sie erschossen einen der Attentäter. Die Polizisten überlebten. „Mit Mut und Aufopferungsbereitschaft in so was reinzugehen und das Feuer zu eröffnen, dass muss man üben“, sind Experten überzeugt. In Frankreich sei das, anders als in Berlin, fester Bestandteil der Ausbildung.

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16 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die technische Ausrüstung ist die eine. Die mentale eine andere. Ich verweise auf den Colonel Kurtz Monolog in "Apocalypse now". Kann man von Sicherheitspersonen ernsthaft verlangen, den "lächelnden" Killern mit ähnlicher Bereitschaft entgegen zu treten? Das ist die Frage. Ich jedenfalls beginne, meinen Hut zu ziehen vor denen, die das "nur" berufsmäßig machen.

  • Wir können nicht alle Polizisten so aufrüsten, dass sie gegen militärisch ausgerüstete Terrorist_innen kämpfen können.

    Daher ist die Aussage von Herrn Henkel jedem bekannt und kein Terrorist wird wegen dieser Aussage etwas machen, was er nicht sowieso machen würde.

    Auch in Ländern, in denen an jeder Ecke Soldaten mit Maschinenpistolen stehen, gibt es Anschläge.

    Dies bedeutet nicht, dass Polizist_innen nicht gut ausgebildet werden sollten.

    Laufen Streienpolizist_innen jedoch immer mit Maschinenpistolen herum, so wird der Polizeidienst durch die unhandlichen Waffen beeinträchtigt und das Risiko dass eine Maschinenpistole im Handgemenge entwendet wird, erzeugt erheblich mehr Schaden als bei einer Pistole.

    Daher erscheint die aktuelle Vorgehensweise sehr sinnvoll - die MP ist greifbar und wird eingesetzt, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass eine entsprechende Gefährdungslage da ist. Werden dagegen Betrunkene am randalieren gehindert, Fussballraudis in die Schranken gewiesen oder bei häuslicher Gewalt eingeschritten, würde der Einsatz von Maschinenpistolen die Gefährdung aller Beteiligter deutlich erhöhen.

    Die Diskussion kommt mir so vor, als ob jemand vorschlagen würde, die Polizei sollte auch mit gepanzerten Fahrzeugen oder gleich mit Radpanzern Streife fahren.

  • Danke Herr Henkel!

     

    ...ein Polizist aus Hamburg!

  • Wahrscheinlich wird es bei uns traurigerweise auch notwendig sein dass Polizisten mit militärischen Kalibern ausgerüstet werden müssen. Wenn auf dem Schwarzmarkt Schnellfeuergewehre leicht und billig verfügbar sind so muss die Polizei eben damit rechnen mit solchen konfrontiert zu werden.

  • Der "einfache" Polizist wäre besser beraten seine Waffe zu werfen.

    Der "einfache" Polizist gibt im Jahr, durchschnittlich, 150 Trainingsschüsse ab.

    Als aktiver IPSC-Schütze gebe ich im Jahr zwischen 12.000 bis 15.000 Schüsse ab um halbwegs auf nationaler Ebene Konkurrenzfähig zu sein.

    Bezeichnend war, das ein Bekannter von mir, seines Zeichens Kriminalkommissar, nach dem ich ihn mal zu einem Training mitgenommen hatte, zu mir sagte, das er, würden er und seine Familie angegriffen werden, er eher mich zur Hilfe rufen würde als seine Kollegen.

    Mein Vertrauen in unsere Freunde und Helfer ist jedenfalls begrenzt.

  • Ja wie? - & aber Hallo!

    Wer hat denn da mehrere Henkel ab?

     

    „Der einfache Streifenpolizist ist solchen Terroristen hoffnungslos unterlegen“, sagte Innensenator Henkel vor ein paar Tagen den Medien.…"

     

    Jau - & der einfache Bürger - der einfache Dorfschullehrer - die einfache Krankenschwester - &

    Einfach usw usf - nee im Ernst ->

     

    Was für ein einfach-blind gestrickter

    Tölpell is denn da der öberschte

    Bulle de arroganz a Balin! - wa!

     

    Auch hier ceterum censeo - mit

    'Ik setz mir mal bei Richie'

    Wolfgang Neuss -

    Es reicht nicht keine Gedanken zu haben -

    Mann - muß auch unfähig sein -

    SIE AUSZUSPRECHEN!

     

    kurz - Wenig beruhigend -

    Zu wissen

    Daß in Balin mehrere ->

    Losgerissene Kanonen - öh

    Inneres mimen!

    vulgo - Verfassungsminister!

     

    (ps - können die nicht endlich mal

    Abgeschleppt werden?

    Hamse in Balin doch mit

    Schleppern Erfahrung mit;)

    • @Lowandorder:

      Einfach hreumstottern der politisch Verantwortlichen, weil denen solche Lagebilder seit über 10 Jahren immerw eider vorgelegt und analysiert worden sind, in Bund und Ländern!

       

      Hieß immer: "Passiert bei uns nicht"!

  • 1G
    19412 (Profil gelöscht)

    Ich gehe davon aus, dass absolut niemand mit 8 Schuss (Pistole) und unsicherer "Schutzweste" eine Chance gegen militärisch ausgerüstete Terroristen hat. Nachladen wird zeitlich nicht möglich sein. Ich finde es beschämend ... die Polizisten tun mir leid. Wie sollen die uns schützen? 3x im Jahr mit der MP schießen? Das ist doch keine wirkliches Training und die können sich vielleicht nicht mal selbst schützen - oder sehe ich das falsch? Für die Ausbildung der Polizei muss Zeit und Geld da sein, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können. AUGENHÖHE !!!

  • Ein Streifenpolizist, der mit einer Pistole und 8 Schuß Munition gegen einen mit einer Kalaschnikow um sich Schießenden in den Kampf ziehen will, muss Superman oder bescheuert sein.

  • Leider hat Herr Henkel recht was die Ausrüstung der Beamten betrifft: Gegen einen Treffer aus einem Sturmgewehr wie z.B. im Januar in Paris helfen die gegenwärtigen Klasse2-Schutzwesten mit Stichschutz nicht. Auch zeigen die 9mm-Geschosse der Pistolen & Maschinenpistolen gegen militärische Schutzwesten keine Wirkung. Da Sturmgewehre (AK47 aus ehem. UDSSR & Jugoslawien) in Europa auf dem Schwarzmarkt verfügbar sind und militärische Schutzwesten allenfalls aufgrund einer Selbstverpflichtung des Handels seit Januar nur an Behörden verkauft werden ist ein Angriffsszenario wie bei Charly Hebdo durchaus realistisch. Kurzfristige Abhilfe schafft allenfalls eine Ausrüstung der Beamten mit militärischen Schutzwesten (>=Klasse3) und Sturmgewehren bzw. mittelfristig mit militärischen Maschinenpistolen höherer Durchschlagskraft. Da haben wir ja eine prima Anschlussverwendung für das G36 ;-)

    • @JLloyd:

      Man übersieht, daß weder beim Angriff auch Charlie Hebdo noch bei der Attacke vom letzten Samstag die Ausrüstung der Polizei das große Problem war.

    • @JLloyd:

      Das stimmt so allgemein nicht!

       

      Die streifenüblichen Munition ist lediglich wegen der Eigenschaften der Projektile ungeeignet. Mit Zweckmäßiger Munition kann auch die MP5 problemlos eine SK2 Weste durchschlagen. Und für die EA-Kräfte zählt jeder erzielte Treffer, insbesondere wenn die Angreifer mit Sprengstoffwesten ausgestattet sind...

      • @KarlM:

        Ballistische Nahkampfprojektile der Gruppe der Weichzielkaliber (oder "Munition", wie der Volksmund es nennt), sind nach Perforationsmoment, Verformungsmoment, Verformungswärmekoeffizient und ballistischem Flugbahnbeiwert zu unterscheiden.

         

        Nach diesen Kriterien erfolgt die Einteilung in:

        1. Hochgeschwindigkeitsprojektile, Gruppe I bis VI

        2. Ballistische Normalprojektile, Form T, S und V.

        3. Aufschlagverstärkende Projektile

        4. Sonderprojektile Typ Ohler

        5. Sonderprojektile Typ Schlatt

        6. Mantelgeschosse

        7. Verbundkurzwaffengranaten

        8. Pulvergeschosse herkömmlicher Art

        9. Passivprojektile

         

        Die Unterscheidung ist in der Diskussion notwendig, da von ihr die Wirkung wesentlich abhängt und die Wirkungseffekte einer sehr breiten Streuung unterliegen. Hier muß unbedingt fachmännisch präzisiert werden, da eine realistische Beurteilung sonst nicht möglich ist.

         

        Es gibt dazu hervorragende Fachliteratur.

      • @KarlM:

        sorry - aber den letzten Ihrer Sätze ->

         

        "...Und für die EA-Kräfte zählt jeder erzielte Treffer, insbesondere wenn die Angreifer mit Sprengstoffwesten ausgestattet sind..."

         

        haben Sie sicher strafrechtlich nicht zu Ende gedacht - oder?!

        Besser nicht.

        • 2G
          29482 (Profil gelöscht)
          @Lowandorder:

          Ach, Sie meinen, das wäre strafrechtlich nicht iO? Auf welcher Grundlage basiert diese Annahme? Ein Terrorist mit Sprengstoffgürtel/Weste muss also entwaffnet,belehrt und angeklagt werden? Nicht mal in Deutschland 2015,lieber Lowandorder..leider nein.

          • @29482 (Profil gelöscht):

            Der Einwand stellt wahrscheinlich auf dia Missverständnis ab, ich hätte empfohlen die USBV zu beschießen. as war in der Kürze in der Tat missverständlich dargestellt.

             

            Das gegen entsprechend ausgerüstete Täter der SWG mit Zielsetzung der sofortigen Handlungsunfähigkeit statthaft ist, bedarf sicher keiner Diskussion.

             

            Da ist die Güterabwägung eindeutig.