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Nach den Anschlägen in Norwegen"Alarmknopf" fürs Internet gefordert

In Deutschland werden Sicherheitsmaßnahmen im Internet diskutiert. Die norwegische Geheimdienstchefin ist überzeugt, dass der Attentäter voll zurechnungsfähig ist.

Polizisten am zerstörten Regierungsgebäude in Oslo. Bild: reuters

OSLO rtr/dpa/dapd | Norwegen lässt sich nach den Worten von Ministerpräsident Jens Stoltenberg durch die jüngsten Anschläge nicht einschüchtern. Auf die Gewalt werde das Land mit mehr Offenheit und Demokratie reagieren, sagte der Sozialdemokrat am Mittwoch vor Journalisten.

Nach einer Zeit der Trauer würden die Reaktion der Polizei und die Sicherheitsmaßnahmen auf den Prüfstand gestellt, kündigte Stoltenberg an. "Die Organisation und die Kapazitäten der Polizei werden überprüft." Er begrüße die Diskussion über die Sicherheit. Er sei auch überzeugt, dass die Anschläge vom Freitag das Interesse der Norweger an Politik stärken würden.

Für ein Netz rechtsextremistischer Zellen um den norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik fehlt weiter jeder Beweis. Breivik selbst behauptete, es gebe Zellen in Norwegen und im Ausland. Für den norwegischen Geheimdienst erhärtet sich die Annahme, dass Breivik, der bei zwei Anschlägen 76 Menschen getötet hatte, ein Einzeltäter ist.

Geheimdienstchefin: "Ein einsamer Wolf"

Dem britischen Sender BBC sagte die Chefin des norwegischen Geheimdienstes PST, Janne Kristiansen, am Mittwoch in Oslo: "Breivik hat allein gehandelt." Sie wies die Vermutung zurück, dass der 32-Jährige geisteskrank sei. "Ich begreife ihn als zurechnungsfähige Person, denn er hat sich für eine sehr lange Zeit auf eine Sache konzentrieren können."

Mehrere norwegische Zeitungen zitierten die Geheimdienstchefin zudem mit der Äußerung: "Dies ist ein einsamer Wolf, der unter alle unsere Radarsysteme schlüpfen konnte." Der BBC sagte Kristiansen, die selbst als Anwältin gearbeitet hatte, weiter: "Er hat alles so richtig gemacht. Und nach meiner Erfahrung mit dieser Art Klienten sind sie völlig normal, auch wenn sie im Kopf ziemlich verquer sind. Und diese Person ist außerdem total böse."

Breiviks Anwalt Geir Lippestad hatte am Dienstag erklärt, er halte seinen Mandanten für geisteskrank. Der Attentäter soll im Ila-Gefängnis westlich von Oslo von zwei Rechtspsychiatern untersucht werden.

Breivik will den Bombenanschlag in Oslo und das Massaker auf der Insel Utøya über neun Jahre vorbereitet haben. Er wurde Dienstagabend in die Anstalt Ila westlich von Oslo für eine zunächst achtwöchige Untersuchungshaft gebracht.

Forderung nach "Alarmknopf" im Internet

Nach den Anschlägen in Norwegen denken deutsche Politiker und Polizisten über schärfere Sicherheitsmaßnahmen im Internet nach. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) schlug am Mittwoch einen Alarmknopf für das Internet vor, um Nutzer extremistischer Inhalte unmittelbar melden zu können. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) äußerte sich derweil besorgt über die steigende Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten.

Friedrich sagte der Rheinischen Post: "Sorgen machen mir insbesondere die sogenannten nationalen Autonomen, die sich zunehmend nach dem Beispiel der Linksautonomen formieren." Zur Gruppe dieser "autonomen Nationalisten" gehören laut aktuellem Bericht des Bundesverfassungsschutzes etwa 1.000 Personen. Dies sind demnach zumeist jugendliche Neonazis aus den Reihen rechtsextremer Kameradschaften.

Auch eine Verschärfung des Waffenrechts wird gefordert. Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) sagte am Mittwoch in Stuttgart: "Wir streben ein generelles Verbot für den privaten Besitz großkalibriger Faustfeuerwaffen an." Er verwies auf eine dazu geplante Bundesratsinitiative des Landes, die Grün-Rot aber bereits im Koalitionsvertrag vereinbart hatte - lange vor den grausamen Vorfällen in Norwegen.

Auch der Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für Innere Sicherheit, Wolfgang Wieland, forderte eine Verschärfung. "Das Ziel muss sein, dass Sportschützen nicht mehr mit Großkaliberwaffen schießen dürfen", sagte Wieland der Nachrichtenagentur dpa. "Es gibt immer noch zu viele Waffen in Privathaushalten." Schätzungen zufolge seien es zehn Millionen Schusswaffen. Der Attentäter von Oslo hatte seine Tat mit legal erworbenen Waffen verübt.

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9 Kommentare

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  • K
    Karl

    @ Berliner,

     

    Sie haben Freigang?

     

    Einen "Waffenschein" zu machen ist in Deutschland so garnicht möglich (Ausnahmen für die politische Klasse vorbehalten)!

     

    Und das ist auch gut so, denn mit solch beshcränkter Denke kann es zwar sein das der Täter, möglicherweise, weniger Menschen getötet hätte, aber wie hoch sind dann die Verluste durch "friendly fire"?

     

    Die Idee ist absurd!

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • J
    Jutta

    Alarmknopf fürs Internet? Was soll das?

    Gibt es doch schon ewig: 110!

  • OP
    Otto Pardey

    Genau,wie im dritten Reich und in der Ex-DDR

    den Bürger seiner Meinungsfreiheit entziehen und

    Journalisten einen Maulkorb verpassen.

    Das versteht man in Deutschland unter Demokratie und

    Rechtsstaatlichkeit!

  • S
    Schorse

    Was nutzt ein Internet-Alarmknopf, wenn selbst seriöse Tageszeitung, bzw. solche, die allgemnein dafür gehalten werden, wie z. B. die Welt oder die FAZ, die Internet-Seite "Politically incorrect" in einer zustimmenden Art und Weise zitieren. Ich habe häufiger Artikel in diesen Zeitungen, ja selbst in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gelesen, die sich deutlich identifizieren mit den für "Politicaly-Incorrect" typischen Beiträgen, in denen vor den "Gutmenschen" gewarnt wird, die die "islamische Gefahr" unterschätzen und in denen der Leser quasi dazu aufgefordert wird, bei "Poltically incorrect" weiterzulesen?

     

    Wichtig dagegen erscheint mir, stärker daran zu arbeiten, in der seriösen Zeitungslandschaft einen Konsens dahingehend herzustellen, dass solche Internet-Hetz-Seiten wie "Politically incorrect" nicht aufgewertet werden.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Fragt doch mal die alten IM's die können da sicher helfen. Gespräche belauschen, Telefone abhören, Internet bespitzeln, so fängt es an, auffällige Beobachtungen, verdächtige Handlungen, Vermutungen, es könnte sein, lieber mal melden, man weiß ja nie, wie viele Hexen gab es bei der Hexenjagd?

  • B
    Bernd

    Haufenweise gewaltbereite autonome Nationalisten bei uns in Dortmund. Waschechte, völlig überzeugte Nationalsozialisten. Seit Jahren bekannt. Von den "Volksparteien" macht KEINER was dagegen -- ausser wohlfeile Sprüche. Und nie ohne Seitenhieb gegen die angebliche Gefahr durch Linksradikale, obwohl die hier nix weiter machen als den Abwehrkampf führen, den das bürgerliche Lager eben nicht leistet.

  • B
    Berliner

    Da muss ich Herrn Wieland wiedersprechen. Mit einem lockeren Waffengesetz hätte Norwegen jetzt wohl höchsten 10 Menschen umgebracht und würde jetzt auch nicht mehr leben!

     

    Ich werde jetzt auf jeden Fall einen Waffenschein machen und mich bewaffnen. Ich plane das schon lange (insbesondere nachdem mein Auto abgebrannt wurde), aber jetzt mache ich Nägel mit Köpfen!

  • N
    Norweger

    2 Fragen:

     

    Warum konnte das Einsatzteam der Polizei die 30 km strecke von der Hauptstadt des Landes Norwegen nicht in unter 60 Minuten zurücklegen?

     

    Warum hat der Attentäter seit 9 Jahren einen Anschlag gegen Sozialdemokraten geplant, obwohl doch vor 9 jahren die Rechtskonservativen mit den Liberalen an der macht waren?

     

     

    3 Forderungen:

     

    Die Polizei in Oslo braucht einen Hubschrauber. Oder einen zweiten der funktioniert wenn man ihn braucht.

     

    Schärfere Waffengesetze UND regelmäßige Besuche und Überprüfungen aller Waffenbesitzer (das schafft Sicherheit und Arbeitsplätze).

     

    Liebe, liebe Medien: bitte zeigt nichtmehr die geleckten Bilder dieses Wahnsinnigen. Kinder und naive Menschen könnten den sonst noch für den netten jungen von nebenan oder wahlweise ein heldenhaftes Vorbild halten.

  • EU
    Elke Unabomber

    U-Bahn-Schläger und andere Bekloppte entstehen durch neue Medien wie Handies und Computer - allein schon das ständige Gebimmel und Gesabbel im öffentlichen Raum macht irre; nur merken die das nicht.

    Da zur Produktion auch noch Millionen Kongolesen ermordet werden und Computer und Roboter massiv Arbeitsplätze vernichten, wofür nie Maschinensteuer bezahlt wird, wäre es am besten den ganzen Müll genauso wie Autos, Flugzeuge, etc. in die Tonne zu treten; funktioniert halt nicht und macht alles kaputt.

    Wer das braucht ist doch wohl lächerlich: All die scheuen Rehleins und schüchternen Stecher, die nie eine Beziehung gehabt hätten, können jetzt über Internet und echte Menschen bleiben alleine. Widerlich und ohne einen Funken Selbstachtung!